Das Werk - 14
Ulk!«
Und die geistvollen Bemerkungen regneten noch dichter als woanders, vor allem das Thema peitschte die Heiterkeit auf: man verstand nicht, man fand das unsinnig und so spaßig, daß man sich krank lachte.
»Der Dame da ist zu heiß, während der Herr seine Samtjacke angezogen hat, weil er Angst hat, sich einen Schnupfen zu holen.«
»Aber nein, sie ist ja schon blau, der Herr hat sie aus einem Teich gezogen, und er ruht sich nun in einigem Abstand von ihr aus und hält sich die Nase zu.«
»Nicht höflich von dem Mann! Er könnte uns sein richtiges Gesicht zeigen.«
»Ich sage euch, das ist ein Mädchenpensionat auf einem Ausflug: guckt euch mal die beiden dahinten an, die Bockspringen machen.«
»Hier ist Waschtag: das Fleisch ist blau, die Bäume sind blau, todsicher hat er das Bild durch Waschblau gezogen!«
Wer nicht lachte, wurde wütend: dieses Erblauen, diese neue Auffassung vom Licht schien eine Beleidigung zu sein. Sollte man denn zulassen, daß die Kunst beleidigt wurde? Ältere Herren schwangen Spazierstöcke. Ein würdevoller Mann ging verärgert davon und erklärte seiner Frau, er Hebe keine schlechten Scherze. Ein anderer aber, ein kleiner, pedantischer Herr, der im Katalog die Erklärung des Bildes gesucht hatte, um etwas für die Bildung seines Fräulein Tochter zu tun, las laut den Titel: »Im Freien!«, was rings um ihn ein ungeheures Wiedereinsetzen des Geschreis, des Gejohles zur Folge hatte. Das Wort machte die Runde, man sagte es weiter, man gab Erläuterungen dazu: im Freien, ja, im Freien, den Bauch im Freien, alles im Freien, alles frei, dideldumdei! Das artete in einen Skandal aus, die Menge wurde immer größer, die Gesichter liefen hochrot an in der zunehmenden Hitze, alle mit dem runden, dummen Mund der Unwissenden, die ein Urteil über die Malerei fällen, mit dem Mund, der bei ihnen allen die ganze Summe von Eseleien, läppischen Erwägungen, blöden und bösen Feixereien zum Ausdruck brachte, die der Anblick eines eigenwilligen Werkes der spießbürgerlichen Schwachsinnigkeit entlocken kann.
Und um das Maß vollzumachen, sah Claude in diesem Augenblick Dubuche auftauchen, der die Margaillans heranschleppte. Sobald er vor dem Bild ankam, wollte der Architekt, der verlegen und von einer feigen Scham befallen war, den Schritt beschleunigen, seine Leute wegbringen und so tun, als habe er weder das Gemälde noch seine Freunde bemerkt.
Aber schon hatte sich der Unternehmer auf seinen kurzen Beinen vor dem Bild aufgepflanzt, und die Augen aufreißend, fragte er mit seiner heiseren Stimme: »Sagen Sie mal, was für ein Schmierer hat denn das hier hingepfuscht?«
Diese gutmütige Roheit, dieser Aufschrei eines millionenschweren Emporkömmlings, der die Durchschnittsmeinung kurz zusammenfaßte, verdoppelte die Lachlust; und im Hochgefühl seines Erfolges, von der Seltsamkeit dieser Malerei gekitzelt, legte er nun los, aber mit einem Lachen, das so maßlos war, so schnarchend aus der Tiefe seiner fetten Brust kam, daß es alle anderen übertönte. Das war das Halleluja, der strahlende Schlußakkord der großen Orgel.
»Bringen Sie meine Tochter weg«, flüsterte die blasse Frau Margaillan Dubuche ins Ohr.
Er stürzte herzu, befreite Régine, die die Augen niedergeschlagen hatte; und er entfaltete eine solche Muskelkraft, als gelte es, dieses armselige Wesen aus Todesgefahr zu retten. Als er sich dann an der Tür mit den Händedrücken und den Verbeugungen eines Mannes von Welt von der Familie Margaillan verabschiedet hatte, kam er zu seinen Freunden zurück; er sagte rundheraus zu Sandoz, zu Fagerolles und zu Gagnière:
»Was wollt ihr denn? Das ist nicht meine Schuld … Ich habe es ihm ja gleich gesagt, daß das Publikum das nicht verstehen würde. Das ist schweinisch, ja, ihr mögt sagen, was ihr wollt, das ist schweinisch!«
»Die haben Delacroix ausgejohlt«, unterbrach Sandoz, weiß vor Wut, mit geballten Fäusten. »Die haben Courbet ausgejohlt. Ach, widerwärtiges Gezücht, blöd wie die Henker!«
Gagnière, der nun diesen Künstlergroll teilte, wurde böse, als er an die Schlachten dachte, die er jeden Sonntag bei den Konzerten von Pasdeloup67 für die wahre Musik schlug:
»Und die pfeifen Wagner aus. Ich erkenne sie wieder … Seht mal da, den Dicken dort …«
Jory mußte ihn zurückhalten. Er hätte am liebsten die Menge aufgereizt. Er sagte immer wieder, das sei toll, da stecke für hunderttausend Francs Reklame drin.
Und Irma, die wieder im Stich gelassen
Weitere Kostenlose Bücher