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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Seine.
    Es war ein prächtiger Maientag; die kleinen Wellen glitzerten golden in der Sonne, das junge Laub setzte sein zartes Grün auf das makellose Blau des Himmels. Und was für eine Freude war jenseits der Inseln, von denen es an dieser Stelle des Flusses viele gab, dieses Dorfgasthaus mit seinem kleinen Gemischtwarenhandel, seiner geräumigen Gaststube, in der es nach frischer Wäsche roch, und seinem großen Hof, den der Misthaufen ganz und gar ausfüllte und auf dem Enten herumwatschelten und schnatterten!
    »He, Vater Faucheur, wir kommen Mittag essen.. Ein Omelett, Bratwürste, Käse.«
    »Bleiben Sie über Nacht, Herr Claude?«
    »Nein, nein, ein andermal … Und Weißwein, von dem geringen Bleichert, der einem die Kehle kitzelt.«
    Schon war Christine der Mutter Faucheur in den Wirtschaftshof gefolgt; und als Mutter Faucheur mit Eiern zurückkam, fragte sie den Maler mit ihrem schlauen Bäuerinnenlächeln: »Sie sind jetzt also verheiratet?«
    »Klar!« antwortete er rundheraus. »Das muß wohl sein, da ich ja mit meiner Frau zusammen bin.«
    Das Mittagessen war köstlich, das Omelett zu scharf gebacken, die Bratwürste zu fett, das Brot so hart, daß sie es nicht brechen konnte, sondern er es ihr schneiden mußte, damit sie sich nicht das Handgelenk kaputt machte. Sie tranken zwei Flaschen Wein, brachen eine dritte an, waren so fröhlich, so laut, daß sie sich schier taub schrien in der großen Gaststube, wo sie beim Essen allein waren. Mit rotglühenden Wangen sagte sie, daß sie beschwipst war; und das war ihr noch nie passiert, und sie fand das komisch, oh, so komisch, und sie lachte dabei, daß sie nicht mehr an sich halten konnte.
    »Gehen wir frische Luft schöpfen!« sagte sie schließlich.
    »Das ist ein Gedanke, gehen wir ein bißchen … Um vier Uhr werden wir wieder fahren, wir haben also drei Stunden vor uns.«
    Sie gingen wieder durch das Dorf Bennecourt, das seine gelben Häuser längs der Uferböschung ungefähr zwei Kilometer lang aneinanderreiht. Das ganze Dorf war auf den Feldern, sie begegneten nur drei Kühen, die ein kleines Mädchen vor sich her trieb. Er wies mit dem ausgestreckten Arm in die Gegend, erklärte sie ihr, schien zu wissen, wohin er ging; und als sie beim letzten Hause, einem gegenüber den Hängen von Jeufosse am Ufer der Seine hingepflanzten Gemäuer, angelangt waren, ging er darum herum und in ein dichtbelaubtes Eichengehölz. Das war das Ende der Welt, das sie beide suchten, ein sammetweicher Rasen, ein Schlupfwinkel unter Blättern, in den allein die Sonne mit dünnen Flammenpfeilen eindrang. Sofort fanden sich ihre Lippen in einem gierigen Kuß, und sie gab sich hin, und er nahm sie im frischen Duft der zerdrückten Gräser. Rührung erfüllte sie nun, und sie blieben lange liegen an dieser Stelle, sprachen nur dann und wann ein leises Wort, ganz der Liebkosung ihres Atems hingegeben, gleichsam verzückt angesichts der Goldpunkte, die sie auf dem Grunde ihrer braunen Augen glänzen sahen.
    Als sie dann zwei Stunden später aus dem Gehölz herauskamen, schraken sie zusammen: da stand ein Bauer an der weit offenen Tür des Hauses, und der schien mit seinen zusammengekniffenen Augen, den Augen eines alten Wolfes, nach ihnen ausgespäht zu haben.
    Sie wurde über und über rot, während Claude, um seine Verlegenheit zu verbergen, laut rief:
    »Das ist ja der Vater Poirette … Die Bude gehört also Euch?«
    Da erzählte der Alte unter Tränen, daß seine Mieter auf und davon gegangen seien, ohne zu bezahlen, und ihm ihre Möbel zurückgelassen hätten. Und er lud die beiden ein, ins Haus zu kommen.
    »Sie können sich’s ja immerhin mal ansehen, vielleicht kennen Sie jemand … Ach, es gibt sicher Leute in Paris, die sich freuen würden! – Dreihundert Francs im Jahr mit Möbeln, ist das nicht geschenkt?«
    Neugierig folgten sie ihm. Das Haus hatte die Form einer großen Laterne und schien ein umgebauter Schuppen zu sein: unten eine ungeheuer große Küche und ein Wohnzimmer, in dem man hätte tanzen können; oben ebenfalls zwei Räume, die so groß waren, daß man sich darin verirrte. Was die Möbel betraf, so bestanden sie aus einem Nußbaumbett in einem der beiden Zimmer und aus einem Tisch und Haushaltgegenständen, die die Küche zierten. Aber der verwahrloste Garten vor dem Haus mit seinen herrlichen Aprikosenbäumen war von riesigen Rosenstöcken überwuchert, die in voller Blüte standen, während sich hinten ein kleines Kartoffelfeld, von einer Hecke

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