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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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verlegenen Lächeln an, wenn sie sah, daß er weder Leinwand noch Farben mitnahm; dann küßte sie ihn lachend, stolz auf ihre Macht, gerührt über dieses ständige Opfer, das er ihr brachte. Und es gab neue zärtliche Vorhaltungen; morgen, oh, morgen würde sie ihn lieber vor seiner Leinwand festbinden.
    Claude unternahm indessen ein paar Versuche zu arbeiten. Er begann eine Skizze vom Hügel von Jeufosse mit der Seine im Vordergrund; aber Christine folgte ihm auf die Insel, auf der er sich niedergelassen hatte, streckte sich im Grase neben ihm aus mit leichtgeöffneten Lippen und in der Tiefe des Himmelblaus ertrunkenen Augen; und sie war in diesem Grün, in dieser Abgeschiedenheit, wo allein die murmelnden Stimmen des Wassers vorüberstrichen, so begehrenswert, daß er seine Palette alle paar Minuten beiseite tat und sich zu ihr legte und beide von der Erde ausgelöscht und gewiegt wurden. Ein andermal hatte es ihm ein alter Pachthof oberhalb von Bennecourt im Schutz uralter Apfelbäume, die wie Eichen gewachsen waren, angetan. Zwei Tage hintereinander ging er dorthin; am dritten Tag jedoch nahm sie ihn mit auf den Markt nach Bonnières, um Hühner zu kaufen; der folgende Tag ging auch noch verloren, die Farben waren getrocknet, er hatte keine Geduld, wieder von vorn zu beginnen, und schließlich ließ er es ganz sein. Während der ganzen warmen Jahreszeit hatte er nicht viel Lust zu arbeiten, ließ er die kaum skizzierten Bilder beim geringsten Vorwand stehen, ohne sich auch nur um Ausdauer zu bemühen. Seine Arbeitsleidenschaft, dieses Fieber von einst, das ihn schon beim Morgendämmern auf die Beine brachte und ihn gegen die widerspenstige Malerei kämpfen ließ, schien in einem Rückschlag von Gleichgültigkeit und Trägheit vergangen zu sein, und wie nach einer schweren Krankheit lebte er köstlich dahin, genoß er die einzigartige Freude, mit allen Fasern seines Leibes zu leben.
    Jetzt gab es nur noch Christine. Sie umhüllte ihn mit jenem Flammenodem, darin sein ganzer Künstlerwillen zerrann. Seit dem unüberlegten glühenden Kuß, den sie ihm zuerst auf die Lippen gepreßt hatte, war aus dem jungen Mädchen ein Weib geworden, die Geliebte, die sich schon in der Jungfrau regte, die ihren großen Mund über dem breiten Kinn blähte und spitzte. Sie enthüllte sich als das, was sie trotz ihrer langen Ehrbarkeit sein sollte: ein mit Leidenschaft erfüllter Schoß, ein sinnlicher Schoß, einer von denen, die so verwirrend sind, wenn sie die Scham ablegen, darin sie schlummern. Mit einem Schlage und ohne die geringste Unterweisung kannte sie die Liebe, legte sie das Ungestüm ihrer Unschuld darein; und sie, die bis dahin unwissend, und er, der fast noch unerfahrener war, entdeckten gemeinsam die Wollust, begeisterten sich im Verzücken jenes gemeinsamen Sicheinweihens. Er warf sich seine Frauenverachtung von einst vor: mußte er dumm gewesen sein, kindischerweise Glückseligkeiten zu verachten, die er nicht erlebt hatte! Hinfort brannte seine ganze zärtliche Liebe für den Schoß des Weibes, diese zärtliche Liebe, deren Begierde er einst in seinen Werken auslebte, nur noch für diesen lebendigen Leib, diesen geschmeidigen, warmen Leib, der sein eigen war. Er hatte geglaubt, das Licht zu lieben, das über die seidigen Brüste glitt, die schönen blassen Bernsteintönungen, die die Rundung der Hüften vergolden, die weiche Linie der makellosen Bäuche. Welch ein Selbstbetrug eines Träumers! Jetzt erst hielt er diesen Triumph in den Armen, diesen Triumph, seinen Traum zu besitzen, der einst unter seiner ohnmächtigen Malerhand stets entfloh. Sie gab sich ganz hin, er nahm sie, von ihrem Nacken bis zu ihren Füßen, er preßte sie mit einer Umarmung an sich, um sie zur seinen zu machen, um sie tief in seinen eigenen Schoß eingehen zu lassen. Und da sie die Malerei ertötet hatte und glücklich war, ohne Nebenbuhlerin zu sein, zog sie diese Ausschweifungen in die Länge. Morgens hielten ihn ihre prallen Arme, ihre weichen Beine lange im Bett zurück, in der Erschöpfung ihres Glücks wie mit Ketten festgebunden; im Boot ließ er sich, wenn sie ruderte, kraftlos entführen, berauscht vom bloßen Zuschauen, wie sich ihre Hüften wiegten; auf dem Grase der Inseln verharrte er tagelang in Verzückung, seinen Blick tief in den ihren versenkt, aufgesogen von ihr, seines Herzens und seines Blutes entleert. Und immer und überall nahmen sie voneinander Besitz, mit dem ungestillten Verlangen, noch mehr voneinander

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