Das Werk - 14
der aus Paris herbeigeschafft worden war.
Als sie an diesem Tage auseinandergingen, nahm Christine Sandoz beiseite und sagte mit flehender Stimme zu ihm:
»Kommen Sie bald wieder, nicht wahr? Claude langweilt sich so.«
Claude verfiel tatsächlich in eine düstere Traurigkeit. Er gab es auf, Skizzen zu machen, ging allein fort, trieb sich unwillkürlich vor Faucheurs Gasthaus an der Stelle herum, wo die Fähre anlegte, als rechne er stets damit, Paris würde an Land gehen. Paris ließ ihn nicht los, er fuhr jeden Monat hin; trostlos, unfähig zur Arbeit, kehrte er zurück. Der Herbst kam, dann der Winter, ein feuchter, mit Schlamm durchtränkter Winter; und Claude verbrachte ihn in einer mürrischen Erstarrung, war verbittert sogar gegenüber Sandoz, der im Oktober geheiratet hatte und nicht mehr so oft nach Bennecourt kommen konnte. Er schien nur bei jedem dieser Besuche zu erwachen, eine Woche lang blieb er davon angeregt, und in fiebrigen Worten konnte er nicht genug erzählen von den Neuigkeiten aus Paris. Er, der einst seine Sehnsucht nach Paris verbarg, lag nun Christine damit in den Ohren, erzählte ihr von morgens bis abends von Dingen, von denen sie nichts wußte, und von Leuten, die sie niemals gesehen hatte. In der Kaminecke gab es dann, wenn Jacques schlief, endlose Erläuterungen. Er war wie besessen, und sie mußte auch ihre Meinung äußern, mußte etwas sagen zu all diesen Geschichten.
War Gagnière nicht blöde, sich richtig dumm zu machen mit seiner Musik, er, der mit seiner Gewissenhaftigkeit so viel Talent zum Landschaftsmaler gehabt hätte? Nun nahm er, wie erzählt wurde, bei einem Fräulein Klavierstunden, in seinem Alter! Na, was dachte sie denn darüber? Eine richtige Marotte! Und Jory, der suchte sich mit Irma Bécot wieder gut zu stellen, seit sie ein kleines vornehmes Haus in der Rue de Moscou hatte! Sie kannte diese beiden doch, zwei ausgesprochene Taugenichtse, die zueinander paßten, nicht wahr? Aber der Oberschlaue, das war Fagerolles, dem würde er die Meinung geigen, wenn er ihn sah. Wieso? Diese treulose Tomate hatte sich soeben am Wettbewerb um den Rompreis beteiligt, den er übrigens nicht gekriegt hatte! Ein Teufelskerl, der sich über die Ecole des BeauxArts lustig machte, der davon sprach, alles niederzureißen! Ach, fürwahr, das Gelüst nach Erfolg, das Bedürfnis, die Kumpel auszustechen und von diesen Trotteln gegrüßt zu werden, trieben einen so weit, recht große Schweinereien zu begehen. Na, sie wollte ihn doch nicht etwa in Schutz nehmen? Sie war doch wohl nicht spießig genug, um ihn in Schutz zu nehmen? Und wenn sie sich dazu genauso wie er geäußert hatte, kam er mit seinem lauten, nervösen Lachen immer wieder auf dieselbe Geschichte zurück, die er ungemein komisch fand: die Geschichte von Mahoudeau und Chaîne, die den kleinen Jabouille, Mathildes Mann, den schrecklichen Kräuterkrämer, umgebracht hatten: ja, umgebracht, eines Abends, als dieser schwindsüchtige Hahnrei einen Ohnmachtsanfall bekam und die beiden, von der Frau herbeigerufen, angefangen hatten, ihn so toll zu reiben, daß er ihnen unter den Händen starb!
Wenn Christine dabei nicht heiter wurde, stand Claude auf und sagte mit mürrischer Stimme:
»Ach du, dich bringt nichts zum Lachen … Gehen wir schlafen, das ist besser.«
Er betete sie noch an, er nahm sie immer wieder mit der verzweifelten Hingerissenheit eines Liebenden, der von der Liebe das Allvergessen, die einzige Freude verlangt. Aber er konnte nicht über den Geschlechtsakt hinausgehen, sie genügte nicht mehr, eine andere Qual hatte ihn wieder gepackt, eine unbezwingbare Qual.
Claude, der mit gespielter Geringschätzung geschworen hatte, daß er nicht mehr ausstellen werde, machte sich im Frühjahr viel Gedanken um den Salon. Wenn er Sandoz sah, fragte er ihn aus, was die Kumpels einreichten. Am Tage der Eröffnung ging er hin und kam am selben Abend zurück, bebend vor Erregung und sehr ernst. Nur eine Büste von Mahoudeau war dagewesen, gut, aber bedeutungslos; eine kleine Landschaft von Gagnière, die in dem großen Haufen mit angenommen worden war und auch eine schöne blonde Tönung aufwies; sonst nichts weiter, nichts als das Bild von Fagerolles, eine Schauspielerin, die sich vor ihrem Spiegel zurechtmachte. Claude hatte das zunächst gar nicht erwähnt, dann sprach er mit entrüstetem Lachen davon. Dieser Fagerolles, was für ein Schummler! Nun, da er seinen Rompreis nicht gekriegt hatte, scheute er sich nicht mehr,
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