Das Werk der Teufelin
Matutin.«
»Als ich ihr morgens eine Schüssel Grütze brachte, begrüßte sie mich mit einem ›Benedikte!‹.«
»Und, hast du sie gesegnet?«, fragte Almut mit einem leichten, verständnisinnigen Lächeln.
»Nein. Trine genauso wenig, obwohl sie sich in ihrer Zeichensprache mit ihr zu verständigen scheint.«
»Den Handzeichen der Benediktiner für die Zeiten des Schweigens.«
»Und sehr kurze Haare hat sie auch.«
»Ein entlaufenes Nönnchen, eine Benediktinerin. Das würde die zarte Haut und die weichen Hände erklären. Aber aus welchem Kloster?«
Almut strich sich versonnen den Schleier über dem Gebände glatt und sah aus den Augenwinkeln den leuchtend roten, pelzbesetzten Talar eines massigen Domherren hinter sich stehen. Sie drehte sich ganz zu ihm um und erschrak über den kalten Blick in seinem feisten Gesicht.
»Clara, ich glaube, der Regen hat nachgelassen. Schau, da fällt ein langer Sonnenstrahl durch die Fenster. Gehen wir.« Ganz leise fügte sie hinzu: »Der Domgraf da gefällt mir nicht.«
Daraufhin musterte Clara den rot gewandeten Stiftsherren unauffällig und flüsterte: »Aufgeblasener Geldsack. Der und seinesgleichen sind einer der Gründe, warum ich froh bin, eine arme Begine zu sein.«
Doch sie entkamen dem Domherrn nicht, denn als sie die Seitenkapelle verließen, stellte er sich ihnen in den Weg.
»Wer seid Ihr?«, herrschte er sie unhöflich an.
»Beginen vom Eigelstein!«, antwortete Almut kurz angebunden und nahm Clara am Arm, um sie zum Ausgang zu drängen. Der Domherr wollte ihnen folgen, doch zu ihrem Glück trat ein Vikar mit ängstlich beflissener Miene auf ihn zu und lenkte ihn mit einer Frage ab. Ihre graue Tracht ließ die beiden Frauen mit den Schatten unter den Säulen und Pfeilern verschmelzen, und sie entfernten sich eilig aus dem Blickfeld des Domherren Sigbert von Antorpf, der mit höchster Aufmerksamkeit ihrem Gespräch gelauscht hatte.
Als sie durch das Tor des Beginenhofes traten, empfing sie Mettel ein wenig aufgeregt.
»Habt ihr Johanna mitgebracht?«
»Nein, warum? Ist sie nicht hier?«
»Sie ist nach der Messe noch nicht zurückgekehrt, ich dachte, sie hätte euch begleitet!«
»Ist sie nicht mit den anderen zusammen in Sankt Brigiden gewesen?«
»Nein, die haben sie nicht gesehen.«
Almut und Clara sahen sich schweigend an. Beide hatten denselben Gedanken.
»So schnell schon?«
»Hat sie ihre Sachen mitgenommen, Mettel?«
»Ich habe nicht nachgeschaut. Aber ihr könnt gerne in ihre Kammer gehen.«
Das schmale Kämmerchen unter dem Dach war, wie alle Räume der Beginen, sparsam, aber nützlich eingerichtet. Ein hölzernes Bettgestell, ein Tischchen und ein harter Stuhl standen darin. Dazu eine einfache Truhe für Kleider und ein paar spärliche persönliche Habseligkeiten der Bewohnerin bildeten das gesamte Mobiliar. Doch hatte jede von ihnen etwas Eigenes zur Ausstattung beigetragen, und so fand sich in Johannas Zimmer ein fein geschnitztes Kästchen aus Sandelholz auf dem Tisch, und eine sorgsam bestickte Haube lag auf der Truhe.
»Nein, ich glaube nicht, dass sie uns verlassen hat. Sonst hätte sie diese Dinge nicht zurückgelassen«, schlussfolgerte Clara.
»Richtig. Trotzdem – wir müssen ihr die Regeln etwas eindringlicher klar machen. Vor allem darf sie sich nicht alleine aus dem Konvent begeben.«
Almut stieg die schmale Treppe wieder hinunter und gab Mettel den Auftrag, Johanna sofort zu ihr zu schicken, wenn sie sich einfand.
Sie kam erst lange nach dem Vesperläuten und klopfte, noch ein wenig atemlos, an Almuts Kammertür.
»Oh, Johanna. Schön, dass du zurück bist. Wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht.«
Aufmerksam musterte Almut die blasse junge Frau. Sie wirkte verstockt und gleichzeitig etwas verstört. Eine Antwort gab sie nicht, sondern starrte nur aus dem kleinen Fenster hinaus über die Weingärten.
»Johanna, ich will dich nicht ausfragen, wo du gewesen bist. Diesmal noch nicht. Ich weiß, es ist alles sehr neu für dich, und du musst dich erst einmal an unsere Lebensweise gewöhnen. Aber zukünftig darfst du nicht mehr alleine ausgehen. Auch wenn du mit einer von uns den Hof verlässt, wirst du dich bei Mettel oder Bela abmelden und sagen, wohin du gehst. Es dient zu unserem Schutz, Johanna, nicht um dir die Freiheit zu nehmen.«
»Ja, Frau Almut. Ich werde mich daran halten.«
»Dann ist es gut. Und du brauchst mich nicht so förmlich anzureden. Ich habe gehört, du willst Schreiben lernen. Das freut
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