Das Werk der Teufelin
mich sehr. Und wenn du nicht zu müde bist, dann wäre es sehr nett von dir, wenn du unserer Rigmundis noch einmal mit deiner Hände Kunst Erleichterung von ihren Schmerzen schaffen würdest.«
Johannas Miene entspannte sich etwas, als sie merkte, dass sie keinem Verhör unterzogen wurde, und sie lächelte sogar ein wenig, als sie antwortete: »Das will ich gerne tun.«
»Dann geh zu ihr. Und bitte Elsa zuvor, dir ein linderndes Öl zu geben.«
8. Kapitel
Pater Ivo hörte die Feuerglocke Alarm läuten und sah irritiert von dem Folianten auf, in den er sich vertieft hatte. Ein Blick auf die Stundenkerze sagte ihm, dass es schon beinahe Zeit zur Komplet war, und mit einem besorgten Blick musterte er die schweigenden Mönche und Novizen im Lesesaal. Derjenige, nach dem er Ausschau hielt, war nicht unter den Anwesenden. Mit einem unguten Gefühl stand er auf und suchte den Bruder Bibliothecarius auf.
»Nein, den jungen Ewald habe ich nicht gesehen. Du hattest ihn doch zu einer Buße nach Sankt Kunibert geschickt. Dort wird er wohl sein.«
Das aber war bereits am Nachmittag geschehen, und mit besorgter Miene und flatternden Kuttenärmeln schritt Pater Ivo über den Hof. Die Glocken von Groß Sankt Martin stimmten jetzt ebenfalls dröhnend in die Feuerwarnung ein, und der Pförtner berichtete dem Pater, es sei wahrhaftig der Turm von Sankt Kunibert, der in Flammen stünde. Auch Bruder Markus, der Krankenpfleger, fand sich an der Pforte ein, und zusammen mit ihm eilte Pater Ivo die Uferstraße hinter der Stadtmauer am Rhein entlang. Der rundliche Mönch schnaufte heftig, um mit dem hoch gewachsenen Pater Schritt halten zu können, der eine erstaunliche Kraft und Ausdauer bewies. Er nahm die Regel der Benediktiner – ora et labora – beten und arbeiten – ernster als manch anderer seiner Brüder und kümmerte sich täglich mehrere Stunden um den Weingarten des Klosters.
Vor der Stiftskirche von Sankt Kunibert mussten sie sich den Weg durch eine Menschenmenge bahnen, die weniger zum Löschen als zum Gaffen gekommen war. Doch Pater Ivo drängte sich unerbittlich durch das Volk und betrat das Innere der Kirche. Grauer Rauch quoll ihnen entgegen, und zwei hustende Laienbrüder mit tränenblinden Augen rannten sie beinahe um. Sie trugen kostbares Altargerät in ihren Armen, um es in Sicherheit zu bringen. Es roch nach glosendem, trockenem Holz und heißem Staub. Doch das Feuer selbst hatte noch nicht den Innenraum erreicht, es wütete im Turm über dem Westquerschiff.
»Ewald!«, rief Pater Ivo laut, und seine Stimme hallte mächtig in den Gewölben wider. »Ewald, hörst du mich?«
Er bekam keine Antwort und ging jetzt mit zügigen Schritten zu der Nische im Chor, wo der Schrein, in dem die Reliquien der beiden Märtyrer, des schwarzen und des weißen Ewald, aufbewahrt wurden. Auch hier waren in Qualm und beißendem Rauch schon eifrige Helfer dabei, die Heiligtümer in Sicherheit zu bringen. Doch unter ihnen war nicht der rote Ewald, der Novize, der an dieser Stelle seine Verfehlung büßen sollte. Es konnte sich auch niemand daran erinnern, ihn gesehen zu haben, und Pater Ivo wurde nahe gelegt, so schnell wie möglich die Kirche zu verlassen, da das Feuer, das oben im Glockenturm ausgebrochen war, sich weiter nach unten fraß. Er wollte dem gerade Folge leisten, als ein entsetzliches Krachen erfolgte, und mit einem hallenden Donnerschlag stürzten die Glocken herab. Steine flogen durch die Luft, und Schutt prasselte nieder. Ein gellender Schrei durchdrang das Getöse, und Pater Ivo hechtete in die Richtung dieses Lautes, ohne sich aufhalten zu lassen. Doch es war nicht der Novize Ewald, den er fand, sondern eine Gestalt im roten Talar, der die zentnerschwere Glocke über der Brust lag. Röchelnd starrte der Domherr den Priester an, der sich über ihn beugte, und mit letzter Kraft, hustend und Blut spuckend, forderte er: »Sucht die Teufelin bei den Beginen! Am Eigelstein!«
Dann brachen seine Augen, und Pater Ivo konnte nichts weiter tun, als ein stilles Gebet über seinem Leichnam sprechen.
»Ivo, hier bist du! Komm raus, es wird zu gefährlich hier!«
Hustend und über und über mit grauweißem Staub bedeckt, hatten sich Bruder Markus und einer der Helfer eingefunden und sahen mit Entsetzen auf den Mann im roten Talar, der, halb unter der Glocke verborgen, am Boden lag. »Mein Gott!«, flüsterte Bruder Markus, bekreuzigte sich und kniete nieder. Mit geübtem Blick fühlte er nach den Anzeichen des Lebens und
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