Das Werk der Teufelin
zurück in das Haupthaus und setzte die Katze vorsichtig zu Pater Ivos Füßen ab.
»Das hier ist unser neues Mitglied, und weil sie eine unserer Junghennen gemordet hat, haben wir sie Teufelchen genannt. Sollte der Domherr etwa sie gemeint haben?«
Teufelchen stupste mit dem Kopf gegen Pater Ivos Bein und gab gurrende Laute von sich. Völlig unbeeindruckt von dieser zärtlichen Annäherung, fragte dieser lediglich streng: »Wollt Ihr mich auf den Arm nehmen, Begine?«
»Nein, Pater. Schon erst recht nicht, wenn Ihr eine so grimmige Laune habt. Aber das ist nun mal die einzige Teufelin, die wir beherbergen.«
Teufelchen ließ sich ebenfalls nicht von Pater Ivos barscher Art entmutigen, sprang auf seinen Schoß und verschmolz mit der schwarzen Kutte.
»Der Domherr hat guten Grund gehabt, eine menschliche Teufelin zu suchen. Bei Euch, Begine!«
Almut seufzte, aber dann kam ihr ein Gedanke.
»Dann sehe ich nur noch eine Möglichkeit, auch wenn die ziemlich abwegig ist. Unter Umständen kann Euch Johanna weiterhelfen. Sie ist ebenfalls neu zu uns gekommen und hat eine – bewegte Vergangenheit gehabt. Ich werde sie holen.«
Johanna half Elsa bei der Herstellung einer Salbe und zerkleinerte gerade trockene Kräuter im Mörser. Almut berichtete ihr kurz, worum es ging.
»Muss ich wirklich mit ihm reden?«, fragte sie unwillig. »Ich habe hier viel zu tun!«
»Es dauert nicht lange, Johanna. Komm mit.«
Sie gingen gemeinsam zum Refektorium, wo Pater Ivo nachdenklich aus dem Fenster schaute und dabei geistesabwesend die Katze auf seinem Schoß streichelte. Doch als Johanna eintrat, stellte er beides ein und betrachtete die junge Frau, die noch keine Beginen-Tracht, sondern ein schlichtes, blaues Gewand trug, mit einem durchdringenden Blick unter seinen zusammengezogenen schwarzen Augenbrauen, der der Eintretenden sichtlich unangenehm war. Die beiden dunklen Streifen in seinem grauen Bart, die sich neben den Mundwinkeln herabzogen, ließen ihn unerbittlich und hart wirken. Kurz angebunden fragte er: »Ihr seid Johanna. Und was noch?«
»Johanna Meyenzweig.«
»Und Ihr habt vor, eine Begine zu werden?«
»Ja.«
»Was habt Ihr zuvor für ein Leben geführt?«
»Das geht Euch nichts an, Pater!«
Johanna hatte wieder ihren verstockten Gesichtsausdruck aufgesetzt, und Almut ärgerte sich sowohl über sie als auch über den Benediktiner, der sie mit solch herrischem Tonfall traktierte.
»›Wer freundlich redet, der macht sich viele Freunde; und wer wohlwollend spricht, der verbreitet Güte um sich!‹«, zitierte sie vorwurfsvoll. Es war nur ein winziges Fältchen, das verräterisch in Pater Ivos strengem Gesicht zuckte, aber Almut bemerkte es, und ein Lachen schlich sich in ihre Augen, und sie fügte hinzu: »Hat Sirach gesagt!«
»Sagt nur, Eure Gelehrte übersetzt jetzt die Bücher der Weisheit, Begine! Welch kühnes Unterfangen. Wusstet Ihr auch, dass er gesagt hat: ›Eine Frau, die schweigen kann, ist eine Gabe Gottes!‹«, grollte er.
Almut lächelte ihn dafür strahlend an und fragte: »Warum Sirach das nur auf Frauen bezieht, Pater, möchte ich gerne wissen!«
»Weil er die guten und die bösen Frauen wohl zu unterscheiden wusste!«
»Nun, aber er unterschied bei den Männern genauso die Narren und die Weisen, Pater! Und da behauptet er: ›Die Narren tragen ihr Herz auf der Zunge!‹«
»Ich habe auch schon ausgesprochen närrische Frauen kennen gelernt, Begine!«
»Ach, hinter Euren Klostermauern scheint es ja fröhlich herzugehen, Pater.«
»Im Gegenteil, Begine, die Mauern schützen uns, Gott sei gelobt, vor den Narreteien der Welt!«
»Wie mutig ist es dann von Euch, diesen Schutz zu verlassen und uns aufzusuchen. Oder sollte man das gar schon närrisch nennen, Pater? Denn wie sagt Sirach: ›Ein Narr läuft einem ohne weiteres ins Haus, aber ein Besonnener scheut sich davor!‹«
Die Fältchen um Pater Ivos Augen vertieften sich, und er wollte zu einer niederschmetternden Erwiderung ansetzen, als er hörte, wie Johanna entsetzt über dieses respektlose Geplänkel den Atem einzog. Auch Almut nahm das wahr, und sie besann sich auf den eigentlichen Anlass, weshalb sie beieinander saßen. Auffordernd nickte sie Johanna zu.
»Erzähle ihm, was du uns erzählt hast. Es ist nichts Ehrenrühriges daran.«
»Wenn du meinst, Almut! Also dann, Pater. Ich war eine Badehure und bin schwanger geworden. Das Kind habe ich verloren und war lange krank. Der Bader wollte mich nicht mehr aufnehmen, also
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