Das Werk der Teufelin
Lüstlinge.«
»Mag sein, mag nicht sein. Aber sie verfügen wie alle Männer über die Bedürfnisse des Leibes. Das solltest du schon gemerkt haben.«
»Bisher noch nicht. Aber ich bin wohl wirklich zu tugendsam, um darauf zu achten. Außerdem glaube ich, nicht alle geben diesen Gelüsten nach.«
»Nein, und das ist genauso schlimm, denn dann werden sie verdrießlich und hartherzig. Wie dein Pater da.«
»Nein«, fuhr Almut auf. »Er ist nicht mein Pater.« Johanna gönnte ihr einen langen Blick, und etwas ruhiger fragte sie daher: »Jetzt verrate mir lieber – was ist mit dem Domherren?«
»Das weiß ich wirklich nicht. Aber eines kannst du gewiss sein, die Domjrafen sind es alle.«
»Was?«
»Lüstlinge!«
»Mh.« Almut schwieg eine Weile, aber dann platzte sie doch mit ihrer Frage heraus, die sich wie ein Wurm nagend bis zu ihrer unbotmäßigen Zunge hindurchgefressen hatte. »Besucht Pater Ivo auch die Badehäuser?«
Prompt erwiderte Johanna: »Aber der doch nicht.«
»Nein, wahrscheinlich nicht. Na gut, aber jetzt musst du mir noch etwas verraten. Ich habe dir ja versichert, dass du mir nicht zu sagen brauchst, wo du gestern Nachmittag hingegangen bist. Aber es scheint jetzt doch wichtig zu sein.«
Johanna beugte sich tief über den dampfenden Kessel und rührte mit Hingabe in der zähen, süßen Masse. Dann sah sie auf und blickte Almut gerade in die Augen.
»Ich habe einen alten Freund besucht. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Almut erschreckte die Trauer in ihrem Blick, aber sie sagte nichts weiter.
12. Kapitel
Wigbold Raboden, der Vizevogt, geleitete sei nen Besucher mit ehrerbietigen Verbeugun gen hinaus und setzte sich dann grübelnd an das Fenster, um dem roten Talar nachzuschauen. Mitglieder des Domkapitels bereiteten ihm Unbehagen. Er stammte aus einfachen Verhältnissen, und nur die derzeitige, reichlich verfahrene politische Situation in der Stadt hatten ihm das Amt beschert, das er jetzt innehatte. Seit der Erzbischof Friedrich von Saarwerden sich mit den Ratsherren von Köln angelegt hatte, eine läppische Angelegenheit, bei der es mal wieder um die leidigen Juden ging, hatten sein Greve, der Rembodo Scherfgin, und die Schöffen schlichtweg ihr Amt niedergelegt und waren im April des vergangenen Jahres aus der Stadt geflohen. Sie hatten sich zu Friedrich nach Bonn begeben, um seine Angelegenheiten zu vertreten, statt sich um Recht und Gesetz in der Stadt Köln zu kümmern. Das Hochgericht war damit praktisch handlungsunfähig, und er, der Vizevogt, hatte jetzt den ganzen Ärger am Hals.
Der Ärger hieß Mord, das Opfer war Sigbert von Antorpf, und die Täterin eine Teufelin, die sich entweder bei den Beginen am Eigelstein aufhielt oder sogar eine dieser unangenehmen Frauen war, die sich von ihren Familien getrennt hatten, um ohne die gebührende Aufsicht durch ihre Männer oder Väter zusammen zu leben. Wer wusste schon, ob nicht manche von ihnen wirklich vom Teufel besessen waren! Wigbold Raboden schauderte bei dem Gedanken. Aber er musste sich damit befassen. Der Domherr, der ihn aufgesucht hatte, wollte den Fall geklärt haben. Und zwar so schnell wie möglich. Viel konnte er aber nicht zur Lösung beitragen, und mit mehr als der Aussage eines Kirchendieners, der bei dem Brand der Stiftskirche von Sankt Kunibert dabei war, konnte er nicht aufwarten. Dieser hatte die letzten Worte des Sterbenden vernommen, die auf die besagten Beginen verwiesen, und dann gesehen, wie der Benediktiner den blutigen Dolch an sich genommen hatte. Die Tatwaffe würde Wigbold Raboden verhältnismäßig schnell sicherstellen können, ein Bote war schon auf dem Weg zu Groß Sankt Martin, um mit dem Abt zu sprechen. Die teuflische Begine war ein anderes Problem. Er kam der Lösung näher, als er Erkundigungen bei seinem Schreiber einzog. Die Oberin oder wie auch immer die Leiterin dieses Konventes genannt wurde, war eine Frau Magda von Stave. Der Name war Wigbold Raboden wie den meisten Kölnern nicht unbekannt. Er gehörte einem alten, einflussreichen Patriziergeschlecht. Und so, befand der Vizevogt, würde es das Einfachste sein, diese Frau Oberin in Gewahrsam zu nehmen und so lange zu befragen, bis ihr einfiel, welche ihrer Schwestern den Domherren umgebracht hatte. Wigbold Raboden war nicht so dumm anzunehmen, Frau Magda selbst sei es gewesen, aber das Arrangement hatte verschiedene Vorteile. Entweder würde ihr dazu etwas einfallen, oder die Schuldige würde sich sehr schnell zu erkennen geben. Vor
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