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Das Werk der Teufelin

Titel: Das Werk der Teufelin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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kann harmlos gewesen sein. Sicher hat sie Freunde in Köln, denen sie ihren Entschluss, nun bei uns zu leben, mitteilen wollte.«
    »Natürlich…«
    »Ich könnte versuchen, mit ihr zu reden, wenn sie später kommt, um meinen Fuß zu behandeln.«
    »In Ordnung, und nun will ich sehen, was wir mit Angelika anfangen können.«
    Als Almut allerdings in ihr Zimmerchen trat, hatte sich Angelika nach wie vor nicht aus den Federn bewegt. Ungeduldig scheuchte sie die junge Frau mit heftigen Worten aus dem Bett und blieb unerschütterlich dabei, dass sie sich waschen und ankleiden solle. Mit unsäglicher Langsamkeit tauchte Angelika den Zipfel eines Tuches in die Waschschüssel und fuhr sich damit über die Augenbrauen.
    »Waschen, nicht schminken!«, schnauzte Almut sie an, nahm ihr den Lappen aus der Hand, nässte ihn reichlich und strich ihr herzhaft über Gesicht, Hals, Schultern und Arme. »Und jetzt machst du weiter. Ich bin nicht deine Bademagd!«
    Aber Angelika schüttelte sich und hielt ein trockenes Handtuch vor ihr Gesicht.
    »Gut, dann nicht. Hier ist das Hemd. Hinein mit dir!«
    Sie streifte es ihr über den Kopf und nestelte es zu, half ihr dann in das Obergewand und band ihr auch den Gürtel um die zarte Taille. Völlig willenlos ließ Angelika es geschehen, dass sie ihr die kurzen blonden Löckchen bürstete, das Gebände anlegte und ihr den Schleier darüber befestigte. Nur einmal hob sie die Lider, und Almut wunderte sich über die Kälte in ihren Augen. Dann fasste sie sie am Arm und geleitete sie die Treppe hinunter über den Hof zum Refektorium.
    Hier waren die anderen Beginen bereits versammelt. Brot, Suppe und verdünnter Wein standen auf dem Tisch bereit. Almut stellte Angelika vor und schubste sie dann sanft auf einen freien Platz neben Thea. Das gemeinsame Morgenmahl war eine zwanglose Angelegenheit, anders als die Vesper am Abend, bei der aus der Bibel, dem Psalter oder aus den Heiligenleben gelesen wurde und Schweigen zu herrschen hatte. Jetzt jedoch unterhielt man sich lebhaft, griff herzhaft zu, und das eine oder andere Lachen ertönte. Selbstverständlich war Angelika Mittelpunkt der Neugier, und die Aufmerksamkeit, die ihr die Frauen entgegenbrachten, lockte sie allmählich aus der Reserve. Doch sie sprach leise, ihre Stimme war nicht mehr als ein Hauch. So erfuhren diejenigen, die nahe bei ihr saßen, denn auch die unwahrscheinliche Geschichte ihrer Herkunft. Vor allem Almut hörte ihr aufmerksam zu. Angelika erzählte, sie sei mit ihrer Schwester Beata zu einer Pilgerfahrt zu den Heiligen Drei Königen aufgebrochen, um für die Seele ihrer Mutter zu beten. Einen schrecklich langen Weg seien sie gegangen, durch wildes, unbewohntes Land. Doch mit Gottes Barmherzigkeit und der Hilfe der heiligen Petronella, der Patronin der Pilger und Reisenden, seien sie zunächst unbeschadet vorangekommen. Aber dann mussten sie durch einen finsteren Wald wandern und fanden nur Beeren und Pilze, um sich davon zu ernähren. Nachts konnten sie aus Furcht vor den unheimlichen Bewohnern des Waldes, die sich ihnen näherten, nicht schlafen. Baumgeister stellten ihren Füßen Fallen, und dämonische, schwarze Gestalten mit glühenden Augen umgaben sie, riefen mit bösen Stimmen und versuchten sie vom Wege abzubringen. Und dann, eines Nachts, war Angelika denn doch eingeschlafen, und als sie aufwachte, war ihre Schwester fort. Nur ein blutiges, zerrissenes Hemd habe sie noch gefunden. Und in der Ferne heulten die Wölfe!
    Mit offenen Mündern lauschten die Weberinnen diesen Ausführungen, aber Elsa, an Almuts Seite, murmelte: »Wölfe, die Menschen anfallen? Um diese Jahreszeit?«
    »Was hast du dann gemacht, Angelika, erzähl weiter!«
    Sie sei zunächst völlig kopflos umhergeirrt, aber schließlich habe sie den Waldrand erreicht, mit schmutzigen Kleidern, hungrig und blutigen Füßen. Dann habe sie Menschen getroffen, Männer wie Erzengel, in glänzenden Rüstungen und auf gewaltigen Rössern. Sie hatten sie aufgenommen und ihr Speise und Trank angeboten und ein warmes Lager. Doch im Morgengrauen waren sie weitergezogen und hatten sie verlassen. So blieb ihr, die inzwischen bis auf ihr Hemd alle Habe verloren hatte, nichts anderes übrig, als sich in einem Wagen voller Heu zu verstecken. Darin war sie eingeschlafen. Als sie wieder aufgewacht war, hatte sie sich in der Stadt befunden und war von dem Bauern grob herumgestoßen worden, als der sie in seinem Wagen entdeckte. Durch dunkle, stinkende Gassen sei sie

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