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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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Thema zu sprechen. Stattdessen verschanzte sie sich hinter der kühlen, distanzierten, etwas rätselhaften Contenance, die man bereits von ihr kannte, und begegnete allem und jedem mit gleichmütiger Höflichkeit.
    Die Mädchen wuchsen heran. Nach ihrem achtzehnten Geburtstag stellte Beatrix endlich die privaten Unterrichtsstunden ein, erklärte ihre Ausbildung für beendet und schickte den armen, langweiligen Arthur Dixon fort, worauf er eine Stellung als Lehrer für alte Sprachen an der Universität von Pennsylvania annahm. Somit schien man die Mädchen nicht mehr als Kinder zu betrachten. Jede andere Mutter als Beatrix Whittaker hätte die nun folgende Phase sicherlich als eine Zeit intensiver Suche nach dem passenden Bräutigam angesehen. Jede andere Mutter hätte Alma und Prudence voller Ehrgeiz in die Gesellschaft eingeführt und sie wahrscheinlich ermuntert, zu flirten, zu tanzen und sich umwerben zu lassen. Vermutlich wäre dies der richtige Moment gewesen, neue Kleider zu bestellen, neue Haarmoden zu erproben, neue Porträts in Auftrag zu geben. Solche Maßnahmen schienen Beatrix freilich gar nicht in den Sinn zu kommen.
    Was ihre Heiratsfähigkeit betraf, hatte Beatrix den beiden Mädchen im Grunde keinen Gefallen getan. Es gab Kreise, in denen getuschelt wurde, die Whittakers hätten mit der ganzen Bildung und dem Sichabschotten von den besseren Familien dafür gesorgt, dass sie ihre Töchter niemals unter die Haube bringen würden. Freundinnen besaßen die beiden nicht. Diniert hatten sie immer nur mit erwachsenen Männern – Wissenschaftlern und Geschäftsleuten – und waren folglich völlig ungeschult im richtigen Umgang mit jungen Verehrern. Wenn ein Bursche zu Besuch in White Acre war und etwa die Seerosen in einem der schönen Teiche bewunderte, konnte es passieren, dass Alma ihm energisch widersprach: »Nein, Sir, da irren Sie sich. Das sind keine Seerosen. Es sind Lotosblumen. Seerosen schwimmen auf der Oberfläche, während Lotosblumen leicht aus dem Wasser ragen. Wenn Sie den Unterschied erst einmal kennen, unterläuft Ihnen dieser Fehler nicht mehr.«
    Alma war groß geworden, breitschultrig wie ein Mann. Sie sah aus, als könnte sie eine Axt schwingen. Was sie im Übrigen tatsächlich konnte und im Rahmen ihrer botanischen Feldforschung auch häufig tat. Nun hätte dies einer Heirat nicht unbedingt im Wege stehen müssen. Manche Männer mochten starke Frauen, denen immerhin auch ein robusteres Gemüt nachgesagt wurde, und man hätte darauf verweisen können, dass Alma zudem ein schönes Profil besaß, zumindest linksseitig. Gewiss hatte sie ein gutes, freundliches Wesen. Doch ihr fehlte jenes elementare, unsichtbare Etwas, und dieser Mangel führte dazu, dass ihre Präsenz in einem Raum trotz aller Erotik, die in ihrem Körper schlummerte, bei einem Mann keine leidenschaftlichen Gedanken entfachen konnte.
    Dass Alma sich selbst für reizlos hielt, machte die Sache nicht besser. Eine Überzeugung, die sie im Übrigen nur deshalb hegte, weil man es ihr so häufig und in so mannigfaltiger Weise gesagt hatte.
    Die Tatsache, dass es ihr an Schönheit mangelte, hatte zuletzt wieder einmal der Vater in Erinnerung gerufen, als er ihr eines Abends, nachdem er etwas zu viel Rum getrunken hatte, aus heiterem Himmel verkündete: »Mach dir nichts draus, mein Mädchen!«
    »Woraus soll ich mir nichts machen, Vater?«, fragte Alma und sah von dem Brief auf, den sie gerade für ihn schrieb.
    »Lass dich nicht niederdrücken, Alma. Es reicht nicht, ein angenehmes Gesicht zu haben. Viele Frauen, die keine Schönheiten sind, werden geliebt. Nimm deine Mutter. Schön ist sie nicht gewesen, und trotzdem hat sie einen Mann gefunden, hab ich recht? Oder Mrs Cavendesh, unten an der Brücke! Die Frau ist eine Vogelscheuche, und trotzdem findet ihr Mann sie so passabel, dass er sieben Kinder aus ihr rausgeholt hat. Du wirst auch jemanden finden, Plum, und ich glaube, er wird von Glück sagen können, dass er dich hat.«
    Kaum zu glauben, dass diese Worte Trost spenden sollten!
    Was Prudence betraf, so war sie eine weithin anerkannte Schönheit – vielleicht sogar das schönste Mädchen von ganz Philadelphia –, doch die gesamte Stadt war sich einig darüber, dass sie kalt und nicht zu gewinnen war. Bei Frauen erregte Prudence Neid; ob sie jedoch bei Männern Leidenschaft erregte, muss dahingestellt bleiben. Prudence gelang es, Männern das Gefühl zu geben, dass es besser war, sich gar nicht erst um sie zu

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