Das Wiegen der Seele (German Edition)
die Möbel weg und kniete sich auf den Boden.
Genau wie den Spieltisch tastete er nun den gesamten Boden mit den Fingerspitzen ab. Wäre Maria jetzt hier erschienen, hätte sie vermutlich gedacht, er sei auf der Suche nach einer verlorenen Kontaktlinse.
Tatsächlich meinte er, in den Umrissen des Sterns eine Fuge ertasten zu können. Adrenalin schoss ihm ins Blut. Er fühlte sich wie ein Schatzsucher beim Zusammensetzen der einzelnen Kartenteile, die ihm endlich den Weg zum Schatz zeigten.
Er suchte nach einem Griff, einer Mulde oder einer Art Öffnung. Plötzlich fühlte er ein lockeres Stück Holz. Mit seiner Kugelschreibermine drang er in die Fuge und hob das Stück an. Mit Erstaunen stellte er fest, dass sich darunter ein Griff sowie ein Schloss befand en . Er holte den Schlüssel hervor, den er zuvor in der Lade gefunden hatte. Eigentlich machte er sich keine Hoffnung, dass er passen würde, das wäre zu einfach, dachte er.
Doch wider Erwarten passte der Schlüssel und Nettgen konnte ihn im Schloss drehen. Er hielt die Luft an. Unter seinen Händen konnte er an dem Griff den gesamten inneren Holzstern wie eine Platte vom Boden abheben.
Nettgen starrte in eine Öffnung, die fast einen halben Meter tief ins Bodenfundament reichte und die direkt von dem darüber hängenden Leuchter erhellt wurde. Sein Blick fiel auf eine Papyrusrolle, lose aufeinander gestapelte, handbeschriebene Blätter sowie eine gefaltete Landkarte. Als er die Papiere aus ihrem Versteck nahm und zur Seite legte, kam kunstvoll geschmiedeter Halsschmuck zu Tage, dessen Gold und Halbedelsteine im Schein der Lampe glänzten.
Nettgen war platt. War Crampton etwa doch ein Grabräuber gewesen, wie Neuhausen das mit der Bemerkung, dass Archäologen ihre Funde publizieren, angedeutet hatte?
Nettgen ließ sich auf dem Ledersessel nieder und legte seine Funde auf den Tisch.
Zuerst nahm er sich die Karte vor. Er stellte fest, dass sie einem Lageplan glich, in der Berge, Hügel, Richtungspfeile und Kreuze mit Hinweisen abgebildet waren. Himmelsrichtungen und Schritte sowie genaue Längenangaben wiesen auf die Kreuze. Nettgen vermutete, dass es sich hierbei um den Lageplan der einzelnen Fundorte der Expeditionen handelte, denn auch das Tal der Könige mit der Kammer war eingezeichnet. Er konnte sich noch ganz genau an die Stelle erinnern, die er selbst, Löffler und der Professor betreten hatten.
Nettgens Augen glänzten wie die eines Kindes unterm Weihnachtsbaum. Seine Entdeckungen hatten ihn wahrscheinlich ein riesiges Stück in der Aufklärung des Falles weitergebracht.
Neugierig untersuchte er den Inhalt des Faches weiter. Neben den beschriebenen Blättern waren auch einige leere Blätter zu den Unterlagen hinzugefügt worden. Das machte Nettgen etwas stutzig, denn er sah keinen Grund, leere Blätter zu verstecken, es sein denn, Crampton hatte noch mehr niederschreiben wollen und war durch seinen Tod daran gehindert worden.
Nettgen legte den Schmuck wieder in sein Versteck, verschloss den Stern im Boden und räumte die Möbel wieder an ihren Platz.
Die Papyrusrolle, die Karte und die Papiere ließ er auf dem Tisch liegen und ging zu Maria ins Kaminzimmer. Sie schlief noch immer tief und fest, eingerollte wie ein Embryo. Er nahm sie auf seine Arme und trug sie ins Schlafzimmer. Dabei wurde sie wach und legte die Arme um seinen Hals.
„Wie spät ist es, was hast du gemacht?“ , wollte sie wissen.
„Ich konnte nicht schlafen, bin ein bisschen durchs Haus gewandert. Maria, es tut mir Leid , aber ich kann heute Nacht nicht bleiben, ich muss nach Hause.“
„Schade ...“ , murmelte sie nur. Als er sie behutsam auf das Bett legte, war sie schon wieder eingeschlafen. Er deckte sie zu und verließ leise das Zimmer.
Er ging in die Bibliothek, nahm sich die Unterlagen und verließ das Haus, nicht ohne vorher den Kollegen des Personenschutzes, die im Auto vor der Tür Wache hielten, Bescheid zu geben.
Von nun an war ihm bewusst, dass jeder kleinste Hinweis von Crampton zur Aufklärung des Falls führte. Aber er wußte auch, dass er wohl noch nach vielen versteckten Hinweisen suchen musste.
* * *
Am darauf folgenden Tag herrschte im Polizeipräsidium hektische Betriebsamkeit. Während die Führungskräfte um eine Auslieferung Löfflers kämpften und dabei auf Granit stießen, beschäftigte sich Nettgen mit Andrew Mc Kinley. Er wollte alles über ihn in Erfahrung bringen.
Zunächst hatte ihn sein Weg schon am Morgen zu Professor
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