Das Wiegen der Seele (German Edition)
Marias Gesicht. Die schlimmsten Details ließ er deshalb schon aus.
Nachdem er alles berichtet hatte, kuschelte sie sich in seinen Arm und schloss die Augen. Sie war über Nettgens Rückkehr mehr als glücklich und man konnte ihr das Entsetzen über die Geschehnisse deutlich anmerken.
Nettgen blieb wie angewurzelt sitzen. Er bewegte sich keinen Millimeter. Dazu war er in diesem Moment unfähig, denn ein Chaos an Gedankenzügen schoss ohne Pause durch seinen Schädel. Nach ein paar Minuten der Stille reagierte Maria als Erste. Sie bewegte sich, schmuste sich immer tiefer in seine Arme und hüstelte leise, um das Schweigen zu brechen.
Nachdem sie noch ein wenig geredet hatten, legte sie ihren Kopf an seine Schulter und schlief ein. Nettgen hingegen konnte seine Augen nicht schließen. Er bekam vor lauter Grübeln Kopfschmerzen.
Er schob schließlich Maria behutsam von seinem Körper und legte sie bequem auf die Couch. Ihren Kopf stütze er auf ein Seidenkissen und deckte sie mit einer Wolldecke zu. Danach ging er in die Küche, trank ein Glas Leitungswasser und stütze sich an die Küchenzeile. Im Haus war es totenstill. Er blickte in den Korridor. Die meisten der vielen Türen standen offen, waren nur angelehnt. Er schritt durch den Korridor, entlang der Türen. Vor einer blieb er wie angewurzelt stehen. Er blickte in ein Zimmer, das die Bibliothek von Jack Crampton gewesen sein musste. Als er vor lauter Neugier das Zimmer betrat, war er umgeben von riesigen, hölzernen Bücherregalen mit geschnitzten Verzierungen. Den Boden bedeckte ein kunstvolles Parkett, das in der Mitte des Raumes in einem riesigen, farbigen Stern zusammenlief. Das Kernstück bildete ein mit Intarsien verzierter, alter Eichenschreibtisch, auf dem ein prächtig ausgestatteter Bildband lag. Nettgen warf einen Blick auf den Umschlag und las: Die Götter Ägyptens . Die Seiten raschelten, als er darin herumblätterte. Zwischen den Seiten fand er plötzlich ein Blatt Papier, das dort normalerweise nicht hin gehörte. Als er es herauszog, hielt er eine aus einer Kladde herausgerissene DIN A4 Seite in der Hand, die mit handgemalten Zeichnungen, Hieroglyphen sowie einem kurzen Ausgrabungsbericht beschrieben war. Datiert war die Seite auf den siebten September 19 9 8 in Kairo, unterzeichnet hatte ein gewisser Andrew McKinley.
Als er sich genauer mit dem Papier beschäftigte, traute er seinen Augen nicht.
Die Hieroglyphen auf dem Papier waren mit denen an der Eingangstür im Grab vollkommen identisch, da war er sicher.
Neugierig las er den Text:
Ich bin heute auf Stufen gestoßen und wir haben bisher die vierte Stufe freilegen können. Ein Arbeiter meines Teams ist tot aufgefunden worden. Er wurde kniend gefesselt und erstochen. Man hat ihm ein Zeichen auf die Haut seiner Stirn geschlitzt. Das hält mich nicht von meinen Plänen ab. Wir werden beobachtet, doch die Suche geht weiter. Die zehn Pforten sind des Rätsels Lösung. Und ich weiß auch, wo ich sie zu finden habe!
Nettgen dachte kurz über die Bedeutung der zehn Pforten nach, denn damit konnte er mal gar nichts anfangen. Viel interessanter war jedoch für ihn die Zeichnung, die unter dem Text abgebildet war.
Von dem Blatt sprang ihm die Tätowierung der beiden Toten ins Auge, daneben die Inschrift vom Tor.
Nettgen war wie vor den Kopf geschlagen. Was hatte das alles zu bedeuten?
Jetzt packte ihn die Gier, nach weiteren Hinweisen zu suchen. Er erinnerte sich an die Worte des Professors über die Versteckspiele von Crampton. Wenn Jack Crampton hier wirklich eine Schnitzeljagd arrangiert hatte, dann würde Nettgen die Schnitzel schon jagen. Er musste die Lösung finden, allein schon, um Löffler zu helfen und Maria wieder ruhige Nächte zu bescheren.
Er wusste nicht, wonach er eigentlich suchen sollte. Irgendein Hinweis, vielleicht eine Art Spur oder Nachricht, etwas, was ihn weiterbringen könnte.
Auf jeden Fall war er sicher, dass hier in der Bibliothek der Schlüssel zu finden sein müsse, immerhin hatte sich Crampton in seinen letzten Tagen hier fast eingegraben.
Er bewegte jedes Buch, so, wie er es aus Abenteuerfilmen kannte, in der Hoffnung, dass sich eine Tür oder ein Fach öffnet. Er durchsuchte jeden Winkel des Büros, schaute in jedes Schubfach und verschob die wenigen Möbelstücke. Dabei war er so leise wie möglich und hoffte, dass Maria weiterschlief. Immerhin sollte sie ihn hier nicht wie einen Dieb vorfinden. Tastend und klopfend suchte er die Wände ab, aber im
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