Das Wiegen der Seele (German Edition)
vom Eingang aus auf die Kasse gerichtet.“
Löffler machte eine Pause.
„Ja und? Rede schon! Ist was zu erkennen?“
Er hasste diese Pausen. Es fehlt jetzt nur doch der Harndrang.
„Also: Auf dem Band waren eine Menge Personen zu sehen, aber zwei sind besonders aufgefallen. Mir stehen die Haare jetzt noch zu Berge. Schau es dir selbst an.“
„Ja, mach, ich warte. Bist du im Büro zu erreichen?“
„Ja“ , meinte Löffler. „Bis später.“
Nettgen starrte gespannt auf den Bildschirm, als die Mail von Löffler eintraf. Er öffnete den Anhang und hielt den Atem an. Ein Bild erschien. Zu sehen war der Bereich der Kasse und ein Teil des Gewächshauses. Keine Menschenseele weit und breit, auch nicht Bohlenbach. Das Video lief weiter. Dann plötzlich schritt jemand am anderen Ende des Raumes von der rechten Seite zur linken. Nur unscharf war eine Gestalt zu erkennen. Nettgen hielt das Band an, spulte zurück und zoomte die Person heran. Sie trug eine Kutte mit einer riesigen Kapuze. Zwar schaute die Gestalt in Richtung Kamera, doch Nettgen starrte in ein leeres, totes Gesicht. Nettgen kannte diese Gestalt nur zu gut. Es war der Einbrecher, den er verfolgt hatte. Zumindest trug er dieselbe Kleidung. Er schaute nach der Uhrzeit, die im oberen rechten Bereich angezeigt wurde: 05:51 Uhr am Tage des Mordes. Sofort setzte er sich mit Löffler in Verbindung.
„Ich bin es, Ralf. Das ist ja der Hammer! Wer oder was ist das?“
„ Wer oder was das ist, kann ich dir beim besten Willen nicht sagen. Fakt ist, dass es sich um eine vermutlich männliche Person von circa einem Meter fünfundachtzig Körpergröße und rund neunzig Kilo handelt. Das ergaben die Messungen. Ansonsten konnten wir weder das Gesicht noch andere Merkmale ausfindig machen. Zumindest passt laut den Berechnungen, die uns der Computer ausgespuckt hat, der Fußabdruck am Tatort zu dieser Person“ , erklärte Löffler.
„Der geht glatt als Mönch durch! Das ist die Gestalt, die mich überfallen hat!“ , grummelte Nettgen. „Habt ihr die anderen Personen, die zuvor im Gewächshaus waren, mit dieser Aufnahme verglichen? Vielleicht war dieser Mann kurze Zeit vorher auch schon da.“
„Klar, das haben wir. Kein Erfolg. Er war entweder vor längerer Zeit schon mal da oder noch gar nicht.“
„Hm , w enigstens wissen wir jetzt eindeutig, dass der Orden existiert. Das muss ein Anhänger der Seelenkrieger sein . Versuche du bitte herauszufinden, wo eine solche Kutte, und vor allem von wem , getragen wird. “
„Wir haben schon herausgefunden, dass es sich bei der Kutte um die Kleidung eines Redemptoristen handelt.“
„Um einen was ?“, wollte Nettgen wissen.
„Um einen Redemptoristen. Einen Angehörigen einer katholischen Kongregation. Ist nicht einfach gewesen. Werde gleich eine Konferenz einberufen und nach weiteren Informationen recherchieren. Burscheidt weiß Bescheid.“
Es entstand eine Pause. Beide Anrufer schnauften in den Hörer.
„Danke Dietmar. Halte mich auf dem Laufenden.“
Mit dem Blatt von El-Dhamosis in der Hand trabte Nettgen am späten Vormittag des folgenden Tages durch seine Wohnung. Er fühlte sich wie ein Schlafwandler, setzte sich auf den Boden und lehnte sich an einen Türrahmen. Mit aller Kraft versuchte er, auf alles einen Reim zu finden. Sein Zustand erreichte fast schon jenen gefährlichen Gedankenrausch, in dem man zwischen Trug und Wahrheit nicht mehr richtig zu unterscheiden wusste. Vor lauter Wut schlug er mit der flachen Hand gegen den Rahmen und warf mit Schimpfwörtern nur so um sich. Das Geschehen der letzten Tage war einfach zu viel für ihn gewesen. Die Suche nach fehlenden Puzzlestücken bereitete ihm Kopfschmerzen. Er ü berlegte gerade, dass er Löffler in alles einweihen musste, was er während seiner Abwesenheit entdeckt hatte, als das Telefon klingelte.
„Hallo?“
„Ich bin es“, hörte er Löfflers Stimme. „Ich habe Neuigkeiten, die dich mit Sicherheit interessieren . “
„Wenn man vom Teufel spricht ... w as hast du denn, schieß los!“ Nettgens Frust schlug blitzartig in Neugierde um.
„Also Ralf, die Spurensicherung hat auf den Blättern, die du zur Untersuchung gegeben hast, erstaunliche Entdeckungen gemacht. Auf den Blättern ist ein Bericht und dutzende Zeichnungen zu sehen.“
„Was?“, entgegnete Nettgen verdutzt. „Wie geht das denn? Die Blätter waren leer!“
„Stimmt, auf den ersten Blick schon, doch da hat sich jemand verdammt viel Mühe gegeben, eine
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