Das Wiegen der Seele (German Edition)
Tatorts. Kein Datum, nicht ein einziger Hinweis auf den Mordtag “ , stöhnte er.
„Gut, hier haben wir eine Mumie auf dem Totenbett. Das bedeutet, das Opfer soll mumifiziert werden. Dann der gefesselte Mann. Das Opfer ist ein Rebell oder Feind in den Augen der Täter. Dann der Diener oder Sklave im Amt oder als König. Und zum guten Schluss das Bier. Das ergibt überhaupt keinen Sinn!“
Er schlug mit der geballten Faust auf seinen Schreibtisch. Löffler befand sich inzwischen in einem Urwald voller Gedankenfäden, die alle nicht zusammenpassten . In den mystischen Irrgärten, in die er und sein Kollege verwickelt waren, musste er erkennen, dass diese Phantome nicht nur die Körper der Opfer, sondern auch die Seelen der Fahnder bedrohten. Er nahm sich zusammen und konzentrierte sich wieder auf die Botschaft, welche die Täter hinterließen.
Er dachte über den Amtsträger und Diener nach sowie den Begriff Bier . Di e anderen Entschlüsselungen waren immerhin zuzuordnen. Doch wer war ein Diener des Amtes oder gar von etwas Höherem, und dazu noch Bierbrauer? Plötzlich schoss ihm ein Gedanke in den Kopf: Na klar, ein Beamter! Oh Gott, es konnte sich um ein en Polizist en oder einen andere n Staatsdiener handeln.
In diesem Moment trat Burscheidt herein. O hne anzuklopfen stand er plötzlich vor Löffler.
„Sagen Sie mal, wo treibt sich Nettgen eigentlich rum? Ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache, wenn ich ihn nicht telefonisch erreiche“ , meckerte Burscheidt.
Löffler starrte ihn nur an. Sein Gesicht verfärbte sich. Entsetzt starrte er Burscheid mit offenem Mund an. Ihm fehlten die Worte.
„Löffler, alles in Ordnung mit Ihnen?“ hörte er seinen Vorgesetzten fragen.
* * *
Nettgen hielt Ausschau nach einem Durchgang, der sich laut Plan auf seiner linken Seite befinden musste. Dann erblickte er den Eingang. Der Strahl seiner Lampe leuchtete auf eine Stahltür. Sie sah so alt aus wie der Tunnel selbst, verrottet, rostig. Die Tür war mit mehreren Riegeln verschlossen. Er schob die Riegel zurück und drückte gegen die schwere Tür . Mit einem Kreischen, als sei sie seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt worden, gab die Tür nach. Adrenalin rauschte in seinem Blut, als sie nach innen aufschwang.
Das Licht der Taschenlampe erhellte eine steinerne Kammer.
Nettgen entdeckte einen Lichtschalter, knipste ihn an und ging durch die leere Kammer zu einem Vorhang auf der gegenüberliegenden Seite. Als er den Vorhang beiseite zog, kam eine weitere, allerdings neuere Stahltür zum Vorschein, hinter der ein weiterer Raum lag.
Beim Betreten stellte er fest, dass die Decke, die Wände und der Boden vollständig mit Stahl verkleidet waren. Der Raum erinnerte ihn an den Tank eines großen Ölfrachters. Auch hier gab es einen Lichtschalter.
Im Raum befanden sich einige Holzmöbel, ein paar Stühle und mehrere Kisten, die mit Paketband zugeklebt waren. An der Wand hingen zwei Kalender und diverse Bilder mit arabischen Schriftzeichen über einem Schreibtisch.
Nettgen überkam ein überwältigendes Triumphgefühl. Sein Instinkt hatte ihn nicht getrogen. Hier war er richtig.
Als er sich umsah, erblickte er eine weitere Tür. Seine Neugier war zu groß, und so hob er sich die Untersuchung des Schreibtisches, der mit Papieren vollgestopft war, für später auf.
Schon beim Öffnen der Tür schlug ihm ein süßlicher, penetranter Geruch entgegen. Und was er jetzt sah, kannte er nur aus Horrorfilmen: Mehrere Tische standen entlang der Wände, übersät mit den verschiedensten Messern und Operationsmaterialien, an denen noch geronnenes Blut klebte. Sein Herz begann zu rasen, er verfiel in Panik und rannte aus dem Raum, blieb wie versteinert in dem Stahlraum stehen. Was er auf seinem Weg in den letzten Raum nicht sehen konnte, weil sein Blick nach vorn gerichtet war, starrte ihn nun von der Wand an: Neben der Eingangstür hingen Fotos, die Nettgen das Blut in den Adern gefrieren ließen.
Die Fotos waren beschriftet und mit einem roten Filzstift abgehakt. Das erste Foto zeigte Jack Crampton. Das zweite zeigte Hasan Ab Abduram . Dann folgten fünf weitere Person, deren Namen er nie zuvor gehört hatte. Es folgte El-Dhamosis und Professor Neuhausen, alle abgehakt. Dahinter klebte nur noch ein Stück Klebestreifen, das auf ein letztes, fehlendes Foto hindeutete.
Nettgen stürzte zum Schreibtisch und sah die Papiere durch. In einem Papierstapel entdeckte er den Zipfel eines Fotos und zog es heraus. Beim Anblick
Weitere Kostenlose Bücher