Das Wiegen der Seele (German Edition)
gereist. Für den Anfang können S ie uns mit Sicherheit eine Erlaubnis besorgen, das Grab zu besuchen, nicht wahr?“
Bahabi runzelte die Stirn und lief nervös im Büro auf und ab. Er schwieg, schien nach einer Antwort zu suchen.
„Was glauben S ie eigentlich, wer sie sind? Sie kommen hierher und stellen Forderungen! So einfach ist das nicht mit einer Erlaubnis. Das Grab wurde wieder verschüttet, eine Besichtigung würde I hnen so oder so nichts nutzen!“
Soviel zum Thema: Sagen sie, was sie brauchen, wir tun, was wir können. Das hätte Nettgen sich denken können. Langsam wurde es ihm zu bunt und auch Löffler bemerkte, dass ihm allmählich der Hals anschwoll.
„Besten Dank für die Hilfe. Wir werden wieder von uns hören lassen. Und setzen S ie I hre zwei Aufpasser für was besseres ein. Wir kommen erst mal so klar.“
Bahabi machte eine hilflose Handbewegung. Dabei bemerkte Nettgen am Finger des Polizeichefs einen überdimensionalen Ring. Er war so auffallend und hässlich, dass er gut aus einem Kaugummiautomaten hätte stammen können und passte nicht wirklich zum restlichen, gepflegten und westlich anmutenden Erscheinungsbild. Nettgen vermutete Weißgold, in dem ein Rubin in einer schwarzen Fassung steckte und wie ein Stern glitzerte. In den Stein war ein Zeichen eingraviert, das Nettgen nicht erkennen konnte.
Nettgen klopfte Löffler auf die Schulter und gab ihm so den Aufbruch zu verstehen. Sie bedankten sich noch mal bei Bahabi, versicherten, dass sie auch ohne Auto zum Hotel zurückfinden würden und dass sie jetzt gerne etwas durch die Stadt spazieren wollten. Dann verließen sie das Büro, einen nachdenklichen Bahabi zurücklassend.
Die alte Tür des Polizeigebäudes knarrte unheimlich, wie in Geschichten von Spukhäusern, als Nettgen und Löffler aus dem Gebäude traten.
„Großer Gott, wie ist der denn drauf?“ , meinte Löffler.
„Hast du auch das Gefühl, dass man uns was verschweigt?“ , fragte Nettgen.
„Irgendwie schon“, antwortete Löffler. „Es klang, als wären wir unangenehme Gäste und nicht gerne an der Ausgrabungsstätte gesehen . “
„Stimmt, das Gefühl hatte ich auch“, sagte Nettgen. „Aber den Gefallen werden wir Bahabi nicht tun. Morgen machen wir einen Ausflug ! “
„Ins Tal der Könige?“ , fragte Löffler.
„Ganz genau, aber ohne Kamele, besonders ohne Aufpasser. Wäre doch gelacht, wenn wir nichts herausbekommen würden!“
Sie spazierten durch die mit Menschen überfüllten Gassen. Schon aus der Ferne vernahmen sie die Melodie eines ihnen bekannten Hits, wussten jedoch nicht, das Lied einzuordnen. Sie schlenderten vorbei an Schmuck- und Lederwarengeschäften, Boutiquen und Souvenirläden und ließen die ungewohnte Umgebung auf sich wirken. Dabei folgten sie unterbewusst der vertrauten Musik bis zu einem Club. Ein riesiges Gartenlokal, umgrenzt von zierlichen Tamarisken mit rosafarbenen Blüten, erinnerte Nettgen leicht an Joe's Pub. Sowohl die Bänke als auch die kreisrunden Tische waren aus Bambus. Nettgen und Löffler entdeckten noch einen freien Tisch und setzten sich. Hier schien die Welt in Ordnung zu sein, denn wohin sie auch schauten erblickten sie lachende, fröhliche Menschen. Sie vergnügten sich mit Backgammon, unterhielten sich oder saßen einfach da und rauchten die Schischah. Sie bestellten sich jeder einen Cocktail ohne Alkohol. Nettgen hätte sich zwar mehr über ein Bier gefreut, doch immerhin befand er sich ja im Dienst. Außerdem kannte er beim Trinken kein Ende und wollte Löffler nicht zumuten, ihn später fix und fertig ins Hotel tragen zu müssen. Nettgen erspähte eine Urlauberin, die beim Tanzen hocherotische Hüftbewegungen machte. Sie hatte braungebrannte Beine, trug einen Minirock und bewegte sich wie eine Gazelle. Er dachte an Maria. Im selben Augenblick fiel ihm ein Mann auf, der direkt hinter der Tänzerin stand. Er stützte seine Ellenbogen auf einem Bistrotisch ab und stierte zu den Kommissar en herüber. Nettgen drehte den Kopf zur Seite aber ließ den Mann nicht aus dem Visier. Schon fast unverschämt starrte dieser zu ihnen und beobachtete jede Bewegung.
„Ralf“, flüsterte Nettgen.
„Was ist“, meinte Löffler „Hast du einen Krampf oder warum schaust du so komisch ? “
„Schau mal unauffällig rechts von mir. Dahinten, der Typ am Bistrotisch. Der mit dem grünen Hemd . “
„Ja, den sehe ich. Was ist mit dem ? “
„Komischer Kerl“, sagte Nettgen. „Der schaut uns ununterbrochen an .
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