Das Wiegen der Seele (German Edition)
trockenen, heißen Straßenasphalt tropften und sofort verdunsteten. Die Türen waren mit einer Folie beschriftet auf der Egypt-Car zu lesen war. Nachdem sich die Drei mit Körnerbrötchen, Honigkuchen, frischen Früchten und dem gerade noch so erträglichen Kaffee den Magen vollgeschlagen hatten, gingen sie zum Auto. Voller Enthusiasmus sprangen sie in den verdeckfreien Geländewagen. Nettgen setzte sich ans Steuer, Löffler besetzte den Beifahrersitz und der Professor ließ sich auf den Rücksitz fallen. Dabei schüttelte Neuhausen nur den Kopf darüber, wie man bei solchen Temperaturen einen offenen Wagen mieten konnte. Na ja, die beiden würden die Vorzüge einer Klimaanlage schon früh genug vermissen. Zur Vorsicht hatte er auf jeden Fall genug Kopfbedeckungen eingepackt. Sie hatten einen langen Weg vor sich. Sie mussten in südliche Richtung durch das Niltal, denn das Tal der Könige befand sich westlich von Theben , entlang des großen Flusses. Hier in Kairo, der größten Stadt Afrikas, lag der Schnittpunkt der wichtigsten Verbindungslinien des Landes. Auf den überfüllten Straßen der Innenstadt gab es nur ein langsames Vorankommen, doch mit viel Geduld erreichten sie die Stadtgrenze und steuerten Richtung Al Faijum. Die Fahrbahn wechselte fortdauernd ihre Beschaffenheit zwischen Wüstenpiste und asphaltierter, teils steiniger Strecke. Von Al Faijum ging die Fahrt weiter nach Assiut . In Oasen entlang des Nils wuchsen Dattelpalmen, Akazien und Johannisbrotbäume. Nettgen und Löffler waren fasziniert von der Schönheit des Landes, vor allem davon, dass man kilometerweit fahren konnte und weit und breit keine menschliche Behausung sah.
Nach rund zweihundert Kilometer Autofahrt erblickten sie kurz vor Assiut aus der Ferne die schwachen Umrisse des alten Gebirges des afrikanischen Grundsockels, das mit über zweitausend Metern hervorragte. Es war kaum zu glauben. Hier waren die Straßen zwar frei wie in New York selbst nachts nicht, trotzdem hatten sie auf Grund der Straßenbeschaffenheit für diese Strecke schon fast fünf Stunden gebraucht. Inzwischen knallte die Sonne mit unbarmherziger Hitze direkt in das Auto. Dann endlich trafen sie in Assiut ein und gönnten sich eine kurze Pause.
Während Nettgen die Frontscheibe vom Wüstensand und Schmutz säuberte, schüttelte sich der Professor den Sandstaub aus den Klamotten.
„So“, meinte der Professor. „Die Hälfte haben wir geschafft . “ Löffler stöhnte nur und zog das Verdeck über das Auto.
Neuhausen ging zu einem Supermarkt, der sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand und besorgte kühle Getränke für die Weiterfahrt. Inzwischen war die Temperatur auf rund neununddreißig Grad angestiegen, als die Drei ihre Fahrt fortsetzten. Während der gesamten zweiten Etappe fiel kaum ein Wort. Jeder schwieg und kostete den Anblick der wüstenähnlichen, jedoch faszinierenden Landschaft aus. Die unterschiedlichsten Gedanken ratterten durch ihre Köpfe. Während Nettgen an Maria dachte und sich auf seinem Gesicht ein warmes Lächeln ausbreitete, stellte sich Löffler die Frage, warum Bahabi zwar kooperativ tat, sich aber trotzdem einer Zusammenarbeit widersetzte. Und welche Rolle der Unbekannte aus dem Club wohl spielte. Er hatte den Eindruck, dass Bahabi ein falsches Spiel spielte. Er musste irgendwie an die Ermittlungsakten über die Mordfälle in Kairo kommen.
Nettgen steuerte den Wagen entlang großflächig angelegter Baumwollfelder, die an den Ufern des Nils neben riesigen Zuckerrohr- und Bohnenplantagen empor wuchsen. Kurz vor Erreichen der Stadt Abydos tippte der Professor Nettgen auf die Schulter.
„Hören sie“, meinte er. „Es wäre ratsam, wenn wir uns hier eine Bleibe für die Nacht suchen. Außerdem können wir jetzt nicht mehr ins Tal. Bald wird es dunkel und dort wird von Patrouillen des Militärs kontrolliert . “
„Ist es denn noch weit bis ins Tal?“ fragte Nettgen.
„Ich schätze noch rund dreißig Minuten Autofahrt“, sagte der Professor. Aber hier in Abydos gibt es hervorragende Unterkünfte . “
„Dann machen wir das. Sie sind der Boss“, schmunzelte Nettgen und grinste mit einem so breiten Lächeln, dass der Forscher seine sechs Zahnfüllungen erspähen konnte.
Von früheren Forschungsreisen war dem Professor ein Hotel am Stadtrand bekannt, wo sie auch prompt drei Einzelzimmer beziehen konnten. Die Hotelzimmer konnten zwar in keinster Weise mit denen in Kairo konkurrieren, doch sie erfüllten ihren Zweck
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