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Das Wiegen der Seele (German Edition)

Das Wiegen der Seele (German Edition)

Titel: Das Wiegen der Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Ullsperger
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ihren Weg über die Kadaver und Panzerreste fort, um an die Tür in der rechten Wand zu gelangen. Sie befanden sich nun in der Vorkammer. Nettgens Herz lag wie ein kalter, kleiner Findling in seiner Brust. Dann holte er tief und keuchend Luft. Seinen ganzen Körper überlief eine Gänsehaut, während alle Kommunikationslinien zwischen Herz und Gehirn gerissen schienen. In diesem Moment fiel ihm Löffler ein. Er hoffte, er konnte seinen Verfolgern entkommen und war unversehrt.
    Der Professor hatte schon die Tür erreicht und winkte ihm eifrig zu, nach zu kommen. Nettgen folgte ihm bis zur Tür. Dort angelangt überlegte er nicht lange und versetzte der Tür vor lauter Frust einen mächtigen Tritt, so dass sie nach beiden Seiten aufschlug. Zu dem Geruch aus Staub und Fels mischte sich ein weiterer, feuchter, nicht sehr angenehmer Geruch. Zu ihrem Erstaunen blickten sie in einen riesigen Raum, dessen andere Seite die Taschenlampe nicht erreichte. Nettgen betrat den Raum, nahm sich eine der kegelförmigen Wandfackeln zur Hand und zündete sie an. Die Flammen tänzelten und beleuchteten schwach das Innere. Nettgen und der Professor rieben sich die Augen, schauten erneut und warteten, bis sich ihre Augen an das Licht gewöhnt hatte n . Im ersten Moment packte Nettgen der Reflex, das Grab fluchtartig zu verlassen. Ein Blick auf den Professor verriet ihm, dass dieser nicht viel anders dachte. Er schloss daraus, dass die Wirkung des Krauts allmählich nachließ. Dann kniff Nettgen die Augen zusammen und strengte sich beim Öffnen an, deutlicher sehen zu können.
    Im Kampf zwischen Licht und Dunkelheit konnte er Umrisse mehrerer großer Gegenstände erkennen. Nettgen trat weiter in den Raum ein. Er blickte auf eine beeindruckende Figur und hielt kurz den Atem an. Der Anubisschrein !
    „Der wachende Anubis“, meinte der Professor, der sich mittlerweile zu Nettgen gesellt hatte. Dann musterte er den schakalköpfigen Gott. Mit einem bedrohlichen Gesichtsausdruck und wachsam aufgestellten Ohren, die Pfoten auf einem goldenen Schrein ausgestreckt, lag er da. Pechrabenschwarz, bedrohlich. Das flackernde Licht der Fackel erweckte einen furchteinflößenden Eindruck. Nettgen fühlte sich wie in einer anderen Welt. Gleich hinter dem Schrein stand eine vergoldete Holzskulptur. Sie bestand aus einer langen Stange, an deren Spitze eine Lotosknospe saß. Ein Tierbalg ohne Kopf, dessen langer, aus Bronze bestehender Schwanz in einer Papyrusblüte endete, war mehrmals um die Stange gewickelt. Während der Professor die Inschrift auf dem Sockel las, sagte er: „Das Emblem des Anubis. Er wacht . “
    Nettgens staunender Gesichtsausdruck glich dem eines kleinen Jungen, der beim Gucken durchs Schlüsselloch zum ersten Mal in seinem Leben weibliche Brüste zu sehen bekommt.
    Aber das war noch nicht alles, denn gleich hinter der Skulptur erspähte der Professor die Umrisse eines Bettes.
    „Kommen S ie, Kommissar. Leuchten S ie hier hin . “
    Als ihm Nettgen folgte, glaubte er seinen Augen nicht. Vor ihnen bildeten zwei Figuren in Gestalt von überlangen Kühen das Gestell eines herrlichen Ritualbettes. Die Liegefläche war mit Haken befestigt, die in Bronzeösen an der Innenseite der Kuhfiguren eingehängt waren. Am Fußteil befanden sich diverse Zeichen und der Professor übersetzte: „ djed tit - Dauer und Leben. Die Sonnenscheibe zwischen den Hörnern erinnert an den Kopfschmuck der Göttin Isis . “
    Während er die Inschrift übersetzte und sich danach einer mächtigen Wächterstatue widmete, trat Nettgen vor die linke Wand. Ihm war so, als hätte er eine schimmernde Kiste erspäht. Es bestätigte sich und er stand vor einer Art Anbetungsstätte, einem hüfthohen, goldenen Altar. Darauf lagen ein paar Papyrusrollen, von denen die dickste in einer offenen Holzschatulle lag, die mit zahlreichen Symbolreihen versehen war. Sofort erkannte er die Zeichen. Es waren die gleichen, die er als Inschrift auf dem Tor des Haupteingangs. Ihm schlug das Herz bis zum Hals. Die Neugierde hatte ihn gepackt. Gerade wollte er nach der Papyrusrolle greifen, als ihn der Professor stoppte: „Halt! Nicht anfassen!“ , schrie der Professor und hechtete mit einem Satz zu ihm. Er wirkte panisch und voller Furcht. Im Licht der Fackel blickte Nettgen in sein bleiches Gesicht. Der Professor transpirierte, seine Stirn war patschnass und seine großen, glasigen Augen stierten entsetzt auf das Buch. Vor Schreck ließ Nettgen das Buch auf den Boden

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