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Das Wiegen der Seele (German Edition)

Das Wiegen der Seele (German Edition)

Titel: Das Wiegen der Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Ullsperger
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und obwohl er sich ganz sicher gewesen war, kein Auge zutun zu können, schlummerte er tief und fest. Der Ausflug ins Tal, die Besichtigung der Kammern und das Beben hatten ihn viel Kraft gekostet. Vor dem Einschlafen hatte er sich viele Fragen gestellt. Unter anderem natürlich auch, aus welchem Grund das Grab wieder freigelegt worden war und wer dabei wohl seine Finger im Spiel hatte. Lauter Fragen, auf die er keine Antwort fand. Schließlich fiel er in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
    Deshalb bemerkte er auch nicht, was um ihn herum passierte. Hätte er aus dem Fenster gesehen, hätte er eine vermummte Gestalt bemerkt, die sich das Balkongitter hochstemmte. Auf leisen Sohlen sprang sie vom Geländer und schlich sich in geduckter Haltung durch die geöffnete Balkontür ins Zimmer. Nettgen hatte die Glasschiebetür einen Spalt offen stehen gelassen, damit die kühle Luft den warmen Raum erfrischte. Während Nettgen tief schlief und von alldem nichts mitbekam, näherte sich der Unbekannte seinem Bett und blieb am Fußende stehen. Ganz langsam und vorsichtig bewegte er sich weiter, und ebenso langsam holte er unter seinem Umhang eine unscheinbare Plastikdose hervor. Mit leicht zitternden Händen öffnete er behutsam den Deckel, hob dann Nettgens Bettdecke an und schüttete den Inhalt der Dose aufs Bettlaken. In diesem Augenblick öffnete Nettgen die Augen. Ihm war so, als spüre er ein Kribbeln an seinen Füßen, die von den Wundblasen empfindlich reagierten.
    Er starrte auf den Schatten des Unbekannten und war mit einem Schlag hellwach. Er sah einen schemenhaften Umriss, umhüllt mit einem Umhang mit einer mächtigen Kapuze über dem Kopf. Die Gestalt erinnerte ihn an einen Anhänger des Ku-Klux-Klans. Erschrocken sprang der Vermummte einen Satz zurück und prallte gegen den Sessel. Nettgen schrie und richtete sich auf. Während sich der gestürzte Unbekannte versuchte, an den Armlehnen hoch zu ziehen, sprang Nettgen aus dem Bett, warf sich auf ihn und versetzte ihm einen gezielten Boxhieb auf das Jochbein. Der Schlag war kräftig aber nicht hart genug, denn Nettgen f i ng sich einen deftigen, stahlharten Kinnhaken ein, der ihn zu Boden gehen ließ.
    Im Nebenzimmer wurde Löffler vom Schrei und den dumpfen Geräuschen aufgeweckt und stürmte in Nettgens Zimmer. Zum Glück hatten sie die Verbindungstür zwischen den Zimmern nicht abgeschlossen. Das erste, was er wahrnahm war eine vermummte Gestalt die versuchte, über den Balkon aus dem Zimmer zu flüchten. Löffler reagierte sofort und nahm die Verfolgung auf. Nettgen dagegen lag noch benommen auf dem Boden. Löffler bekam den Unbekannten mit einem riesigen Satz kurz vor der Balkontür am Schienbein zu fassen. Durch Löfflers festen Griff geriet der Unbekannte ins Stolpern und fiel unkontrolliert nach vorne weg. Mit voller Wucht schlug er mit dem Kopf auf das eiserne Balkongeländer und blieb reglos am Boden liegen. Inzwischen war auch Nettgen hinzu geeilt und stürzte sich auf den Unbekannten.
    Auch Professor Neuhausen war durch das Gepolter aufgewacht und schoss nun über die andere Verbindungstür ins Zimmer. Geistesgegenwärtig knipste er das Licht an. Ihm bot sich ein erschreckendes Szenario: Löffler auf dem Boden, Nettgen auf dem Balkon über eine priesterähnliche Gestalt gebeugt, die sich nicht rührte.
    Entsetzt ging er zu Löffler und half ihm auf die Beine. In diesem Moment drehte Nettgen den Unbekannten auf den Rücken und zog ihm die Kapuze vom Kopf. Nettgen und Löffler blickten in ein bekanntes Gesicht. Vor ihnen lag der Verfolger aus dem Club Kleopatra. An seiner Stirn klaffte eine stark blutende Wunde. Seine weit aufgerissenen Augen blickten starr zur Decke.
    „Er ist tot“, stöhnte Nettgen und fühlte seinen Puls. „Verdammter Mist, er ist tot!“
    Diese Nachricht versetzte Löffler einen Schlag, als hätte er eine Faust ins Gesicht bekommen. Er begann sich Vorwürfe zu machen. Am liebsten hätte er die Zeit zurück gedreht.
    „Notwehr“, stotterte er. „Es war Notwehr . “
    Nettgen erhob sich, trat zu Löffler.
    „Zerbrich dir jetzt mal nicht den Kopf. Das kriegen wir schon wieder hin, natürlich war das Notwehr, du hast mir das Leben gerettet“.
    Dann wandte sich Nettgen noch einmal zu dem Toten um. Er wusste nicht, was genau ihn dazu führte, doch er beugte sich über ihn und riss das Gewand mit einem Ruck auf. Natürlich wusste er, dass er nichts anfassen durfte, um der Polizei, die sie ja nun notgedrungen holen werden müssten, alle

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