Das Winterhaus
konnte sie nicht mehr zwischen ihrem und seinem Körper unterscheiden. Ihre Haut schien mit seiner verschmolzen, ihr Körper in seinem aufgesogen. Er nahm sie in Besitz, wie vielleicht ein Inkubus das Objekt seiner Begierde in Besitz nimmt: Indem er sie leer saugte, sein Mal in ihre Seele einbrannte, in lodernder Glut mit ihr verschmolz, bis sie nicht mehr Mann und Frau waren, sondern eins in ihrer Ekstase.
Doch als sie am folgenden Tag nach Suffolk reisten, schwanden schleichend alle ihre Glücksgefühle, verdrängt von einer Art Grauen. Sie verschliefen, und Robin mußte erst noch in die Pension zurück, um sich ein passendes Kleid zu holen. Und dann verpaßten sie ihren Zug, und der nächste war so voll, daß sie nicht zusammensitzen konnten. Bei der Ankunft in Ipswich sah Francis auf seine Uhr.
»Zur Trauung kommen wir zu spät. Wir gehen nur zum Empfang.«
Der Anschlußzug kroch – als sie am Endbahnhof ankamen, war der Bus bereits abgefahren. Sie mußten die letzten drei Kilometer zu Fuß gehen. Der Himmel war bleiern, vom Meer wälzten sich graue Wolken herein. Francis' Gesicht war bleich, er schien kaum fähig, dem Wind standzuhalten. Sie sprachen fast nichts. Als sie es schließlich nicht länger ertragen konnte, stellte sie sich vor ihn, nahm ihn bei den Armen und hielt ihn fest. »Wir müssen da nicht hin.« Ihre Stimme ging beinahe unter im Wind.
Er sah sie kalt an. »Aber natürlich müssen wir da hin, es ist die Hochzeit meiner Mutter. Die Leute würden ja glauben –«
»Du hast dir doch nie was daraus gemacht, was die Leute glauben. Komm, Francis, fahren wir nach Hause.«
»Nach Hause?« Die hellen grauen Augen schienen sie nur flüchtig wahrzunehmen. »Mein Zuhause ist Long Ferry, Robin.«
Er ging weiter, sie folgten dem Fußweg am Meer entlang, das grau und trüb war, von Wellen bewegt. Long Ferry Hall tauchte vor ihnen auf.
»Ich versteh gar nicht«, sagte Francis plötzlich, »warum du so ein Theater machst, es ist schließlich nur eine Hochzeit.«
Ihre Augen brannten. Wegen der Salzluft, wegen des Windes, dachte sie. Den letzten Kilometer durch die Salzwiesen legten sie schweigend zurück. Lange bevor sie das Haus erreichten, konnte sie die Reihen der Automobile sehen, die im Hof und in der Auffahrt standen. Musik schallte aus den Fenstern und sickerte durch die alten Mauern. Francis zündete sich eine Zigarette an, als sie ins Haus traten. Robin glaubte jemanden ihren Namen rufen zu hören, und in dem Moment, als sie wegsah, verschwand Francis im Gedränge.
Sie fühlte sich, anders als sonst, fremd in Long Ferry. Von ihren Freunden war niemand da. Die Möbel standen anders, die alten Zimmer waren gereinigt und auf Hochglanz gebracht worden. Als sie sich zum Essen setzte, sah sie sich zwischen zwei Fremden, die beide mit ihrem Nachbarn zur anderen Seite angeregte Gespräche führten. Das Essen – ein raffiniertes französisches Menü – wurde von Dienern in Livree aufgetragen. Die Gespräche drehten sich um die Jagd, um Grundbesitz und das Dienstbotenproblem. Es war wie in einem dieser Märchen, dachte Robin, wo man einen vertrauten Ort bei der Rückkehr nach scheinbar kurzer Abwesenheit bis zur Unkenntlichkeit verändert vorfand.
Als die Nachspeise serviert wurde, hatte sie Kopfschmerzen und versuchte gar nicht mehr, sich am Gespräch zu beteiligen. Schweigend ließ sie die Reden über sich ergehen. Der Brautführer war langweilig, Denzil Farr war routiniert und gewandt. Francis, der am anderen Ende der Tafel saß, tuschelte während Denzil Farrs Rede unaufhörlich mit seiner Nachbarin. Das Kichern des Mädchens brach immer wieder in den platten Monolog ein, und der Toast, den Farr auf seine frischgebackene Frau ausbrachte, wurde von störendem Gemurmel und unterdrücktem Gelächter begleitet. Francis hatte, soweit Robin bemerkte, nicht ein Wort mit Vivien gesprochen. Vor ihm stand eine Flasche Champagner, aus der er sich ständig einschenkte.
Nach den Reden begab man sich in den Ballsaal. Francis war von Leuten umgeben; Robin hörte seine vertraute Stimme, hörte auch das erheiterte Gelächter aus dem Kreis, der ihn umringte. Als sie sich der Gruppe eine Weile anschloß, nahm er keinerlei Notiz von ihr, geschweige denn, daß er sie irgendwie vor den anderen ausgezeichnet hätte. Sie fand seine Nichtbeachtung unerträglich schmerzhaft. Am liebsten hätte sie ihn schreiend daran erinnert, was in der vergangenen Nacht zwischen ihnen gewesen war. Aber das Bedürfnis, sich
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