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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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vom Dorf, von einer hohen Mauer umschlossen. Vor der Haustür stand ein Automobil, doch nur wenige der vielen Fenster waren hell. Robin, die am Tor stand und hineinschaute, versuchte vergeblich, sich Joe als Kind vorzustellen, wie er hier Ball gespielt hatte oder mit seiner französischen Mutter im Garten spazierengegangen war.
    Im Oktober kam Joe zufällig am Trafalgar Square vorbei, als dort die erste faschistische Kundgebung stattfand. Die Massen von Schwarzhemden, die schallende, hypnotische Stimme Sir Oswald Mosleys und das einmütige Blöken der Menge machten ihn zornig, so daß er am liebsten geblieben wäre und den Redner mit Zwischenrufen gestört hätte. Aber er widerstand der Versuchung – er konnte es sich nicht leisten, erneut in Schwierigkeiten zu geraten. Außerdem würde er zu spät zur Arbeit kommen, und der Wirt des Navigators würde ihm den Lohn kürzen. Er hatte die 20 Pfund, die Francis ihm geliehen hatte, fast zurückgezahlt. Er hatte in den letzten Monaten praktisch nur von Brot und Margarine gelebt, aber dafür würde er bald schuldenfrei sein. Nicht, daß Francis auf Rückzahlung gedrängt hätte; Francis, stets unbekümmert und großzügig, hatte das Geld schon vergessen, als er es ihm gegeben hatte. Doch Joe wollte niemandem verpflichtet sein – nicht einmal oder besonders nicht Francis. Das Zusammenleben mit Francis machte ihm in letzter Zeit zunehmend Schwierigkeiten. Das Stück war zwei Wochen vor der geplanten Spieldauer abgesetzt worden, womit Joe sowieso gerechnet hatte, und Francis schleppte nun wieder Tag und Nacht seine Freunde in die Wohnung. Joe, der sehr viel arbeitete, war müde. Vor zwei Tagen hatte er morgens um drei Uhr einen Jazzpianisten, der besonders laut und disharmonisch in die Tasten gehämmert hatte, kurzerhand am Kragen gepackt und auf die Kellertreppe vor die Wohnung gesetzt.
    In London zurück machte Robin sich auf die Suche nach Francis. Sie fand ihn mit einem Dutzend Freunde in der Fitzroy Tavern. »Wir gehen später zu mir«, flüsterte Selena Robin zu, als diese sich auf einen Stuhl quetschte. »Francis und ich haben eine Séance organisiert.«
    Die Inszenierung war hervorragend: Flackernde Lichter und gespenstisches Knarren und Seufzen. Robin, von der Geisterwelt unbeeindruckt, beobachtete Francis. Er hielt sich abseits und führte die Regie. Sie sah weder Ehrfurcht noch Erheiterung bei ihm; zu genießen an der Sache schien er einzig, daß er die Fäden zog. Seine Augen waren hell wie blasse Kiesel, und seine Lippen waren leicht gekräuselt, während er Selena beobachtete, die, in üppige Schals gehüllt und mit Ketten behangen, über ihrer Alphabettafel kauerte. Als einer der Männer, erschreckt von einer Stimme, die aus dem Nichts zu kommen schien, ein Whiskyglas umkippte, sah Robin Francis' flüchtiges Lächeln. Und als Charis Fortune ohnmächtig wurde, führte Robin sie in die Küche und gab ihr ein Glas Wasser zu trinken, während Francis drinnen auf dem Fensterbrett sitzen blieb und dem Schauspiel zusah. Robin ging zu ihm und flüsterte: »Francis. Du weißt doch, daß Charis ein schwaches Herz hat.«
    Er drehte langsam den Kopf nach ihr, sie glaubte nicht, daß er viel getrunken hatte, aber seine Augen wirkten glasig.
    »Aber das ist doch alles Quatsch«, sagte er. Und dann: »Ich hab genug. Gehen wir.«
    Sie gingen zu Fuß zur Wohnung zurück, sie hatte vorgehabt, ihm soviel zu erzählen – von ihrer Arbeit und von Hawksden –, aber er ging so schnell, und das Brausen des Verkehrs und des Windes war so laut, daß ihr alle Lust zu reden verging.
    In der Wohnung legten sie ihre nassen Sachen ab, und sie kletterten ins Bett. Bevor er sie in die Arme nahm, sagte er: »Du bist doch morgen frei, Robin?«
    Sein Gesicht war im Schatten; sie konnte seinen Ausdruck nicht erkennen.
    »Ja. Warum?«
    »Weil wir nach Long Ferry fahren müssen. Vivien heiratet.«
    Er stand nackt neben der Gaslampe. Jetzt sah sie, daß seine Augen wie leer waren. Sein Körper, kräftig und anmutig, sah aus wie aus Stein gemeißelt.
    Sie fragte leise: »Wen denn?« und erriet die Antwort, noch ehe er sprach.
    »Denzil Farr«, sagte Francis und löschte das Licht, bevor er sie küßte. So hatte er sie noch nie geliebt. Er gebrauchte ihren Körper, erforschte jede Handbreit ihres Fleisches und trieb sie zu einer Intensität der Gefühle, wie sie sie nie zuvor erlebt hatte. Er küßte ihre Lippen wund und grub seine Zähne in das weiche Fleisch ihrer Brüste. In der Dunkelheit

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