Das Winterhaus
geschnitten; die ungesunde Blässe der letzten Monate war weg.
»Du machst dir höchstens die Kleider schmutzig.«
Er zog die Augenbrauen hoch. Ein Streichholz anreißend, sah er an sich hinunter. »Ich habe eine feste Stellung, Robin. Als Sekretär bei einem Freund von Theo, der sich das Handgelenk gebrochen hat.«
»Aber ich dachte – ich dachte, du und Theo wärt geschiedene Leute.«
Sein Gesicht war voll Bitterkeit. »Ich brauche Arbeit, Robin. Heutzutage gibt's nicht viele Möglichkeiten. Schon gar nicht für Leute wie mich. Ich kann ein bißchen schreiben, ich kann ein bißchen schauspielern, und ich kann prima reden. Ich habe den richtigen Akzent, aber nicht ganz die richtige Kinderstube. Theo hat Beziehungen, verstehst du. Das ist es, was zählt.«
Sie sagte nichts.
»Es ist sowieso nur für zwei Monate oder so«, fügte er hinzu, »aber ich muß mich entsprechend anziehen.« Stolz und Spott mischten sich in seiner Stimme. Er hielt das Streichholz an den Gasbrenner und wartete einen Moment. »Ich glaube, jetzt brennt er.«
Er drehte sich nach ihr um. »Ich brauche dich, Robin. Was ich gesagt habe, stimmt nicht. Du bist nicht wie die anderen, du bist ehrlich zu mir. Das Leben ist irgendwie klarer, wenn du da bist. Ich bete dich an – das weißt du.«
Er hatte noch immer nicht gesagt, was sie hören wollte. Sie verachtete sich dafür, daß sie sie brauchte, diese drei kleinen Kitschromanworte. Zumal sie ahnte, was es ihn gekostet hatte, soviel zu sagen, wie er gesagt hatte; zuzugeben, daß er einen anderen Menschen brauchte. Sie wußte, daß sie dafür ebenso ehrlich sein mußte.
»Ich bin nicht deine Mutter, Francis. Und ich bin auch nicht deine Schwester. Und ich weiß nicht, ob wir die Uhr zurückdrehen und einfach wieder Freunde sein können.« Ich stecke viel zu tief drinnen, dachte sie. Selbst jetzt, in all ihrem Zorn auf ihn darüber, wie achtlos er mit ihren Gefühlen umgegangen war, begehrte sie ihn, und sie fand das entsetzlich. Sie empfand es als Demütigung, daß sie, wenn sie sich vorstellte, daß er mit einer anderen Frau tanzte, nicht nur eifersüchtig war, sondern auch Verlangen nach ihm spürte.
»Ich wollte dir sagen, daß ich für zwei Monate nach Amerika gehe«, sagte er. »Der Mann, für den ich arbeite, verbringt den Winter gern in Florida. Müßte eigentlich ganz lustig werden – Segeln auf dem Ozean und tolle Strände.«
Sie sah die Mischung aus Optimismus und Ängstlichkeit in seinem Blick, als er sie ansah. »Ich habe die Arbeit deinetwegen angenommen, Robin. Ich wollte dir zeigen, daß ich auch etwas auf die Beine bringen kann. Ich weiß, ich kann dir nicht das Wasser reichen, aber ich verspreche dir, daß ich mich ändern werde. Wenn ich zurück bin, komme ich wieder. Du hast einmal gesagt, daß du bei mir bleibst – weißt du noch? Überleg es dir, bitte. Ich verspreche dir, daß ich mich ändere. Ich verspreche dir, daß alles anders wird. Ich werde dich nie wieder verletzen. Bitte – wollen wir es noch einmal versuchen?«
Robin sah weg. Sie konnte nichts sagen. Sie hörte Francis hinausgehen, und gleich darauf fiel die Haustür hinter ihm zu.
Die ersten Nächte schlief Joe bei Freunden, auf der Couch oder auf dem Boden, was gerade zur Verfügung stand. Doch die meisten seiner Freunde waren auch Francis' Freunde und stellten daher zu viele unangenehme Fragen; außerdem ging ihm langsam, aber sicher das Geld aus, und er wollte auf keinen Fall einer von diesen Typen werden, die er am tiefsten verachtete – ein Schnorrer. Also suchte er sich für drei Shilling sechs Pence die Woche ein Zimmer in einem Wohnheim, einem gräßlichen Haus mit wackligen Feuerleitern, von schlurfenden Männern bewohnt, die längst alle Hoffnungen begraben hatten. Nachts krochen dicke Schnecken über die niedrigen Zimmerdecken und hinterließen silbrige Schleimspuren auf dem rissigen Putz. Der Kamin zog nicht richtig, aber er hatte sowieso kein Geld für Kohle.
Anfangs begab er sich jeden Morgen mit Enthusiasmus und einer gewissen Zuversicht auf Arbeitssuche. Doch der Enthusiasmus schwand genau wie das Geld in seiner Tasche, als er sich eine Ablehnung nach der anderen holte. Nach den ersten Wochen sah er heruntergekommen aus, verfroren und ausgehungert, und er wußte es. Er merkte, wie die Leute, bei denen er vorsprach, ihn musterten, seine abgetragenen, schmutzigen Kleider, seine Stiefel, an denen sich vorn die Sohle zu lösen begann, und ihn als Verlierer abtaten. Er war geneigt, ihnen
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