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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Yorkshire-Pudding mit Roastbeef und Meerrettichsoße, kamen die unausweichlichen Fragen.
    »Und was hast du so getrieben, mein Junge? Sind fast acht Jahre, stimmt's, daß wir uns das letztemal gesehen haben?«
    Joe blendete die Erinnerung an den erbitterten Streit, der ihn aus Hawksden weggetrieben hatte, aus. Aber an London zu denken war auch nicht viel angenehmer. Wenn er an London dachte, mußte er an Robin denken – Robin, die nur Francis brauchte und ihn nicht.
    »Wir haben eine Druckerpresse betrieben – nur eine kleine, Dad. Wir haben Streitschriften und Flugblätter und solche Sachen gedruckt.«
    John Elliot prustete geringschätzig. »Kommunistengewäsch nach dem, was du mir geschickt hast. Habt ihr wenigstens gut Geld gemacht damit.«
    Joe schüttelte den Kopf. »Nicht besonders. Ich habe nebenbei noch in einem Pub gearbeitet, um mich über Wasser zu halten.«
    »Daß mein Sohn mal Bier zapft – und das nach der teuren Schule …«
    Er konnte sich nicht verteidigen. Jahre der Selbständigkeit, und am Ende war er in einer Penne gelandet und hatte nicht einmal das Geld, sich eine Packung Zigaretten zu kaufen.
    »Die Schule war die reine Geldverschwendung … Johnnie hätte es zu was gebracht, aber du, Joe … du hast in der Schule nur gelernt, schöne Worte zu machen und dich für was Besseres zu halten …« Die Stimme seines Vaters verklang in Gemurmel.
    Joe hatte Mühe, seinen Zorn zu zügeln. »Ich habe mich nie für etwas Besseres gehalten, Dad.«
    »Nein?« John Elliots Blick begegnete dem seines Sohnes. »Ich hab gedacht, die würden dir da ein bißchen Vernunft beibringen. Deine Mutter wollte dich nicht dahin schicken. Vielleicht hat sie recht gehabt.«
    Seine Eltern hatten nie gestritten; aber sie hatten es fertiggebracht, unter einem Dach beinahe völlig getrennte Leben zu führen. Getrennte Schlafzimmer, getrennte Wohnzimmer, unterschiedliche Interessen, keine gemeinsamen Freunde. John Elliot hatte die Spinnerei gehabt, Thérèse hatte für Musik und Briefe und ihr einziges Kind gelebt.
    »Und wie soll's jetzt weitergehen, Joe? Jetzt, wo du wieder hier bist?«
    Es kostete ihn eine ungeheure Anstrengung, seinen Stolz hinunterzuschlucken. Aber er schaffte es und sagte: »Ich habe in London nur Mist gebaut. Kannst du mich hier gebrauchen?«
    Sein Vater war aufgestanden. Joe den Rücken zugekehrt, starrte er in den offenen Kamin.
    »Ja – hm – wurde auch langsam Zeit. Du hast dich lang genug rumgetrieben. Aber laß dir die Haare schneiden und besorg dir ein paar anständige Kleider. Und iß, damit du ein bißchen Fleisch auf die Knochen bekommst. Mein Sohn läuft nicht rum wie ein halbverhungerter Landstreicher.«
    Im neuen Jahr kehrten die Nebel wieder und tauchten London in gelblich graue Düsternis. Robins Husten verschlimmerte sich, und das Wetter schien ihr ihren eigenen Gemütszustand widerzuspiegeln. Sie hatte das Gefühl, in einem Nebel verloren zu sein, den sie selbst produziert hatte: Ihre Arbeit, ihre politischen Aktivitäten, ihre Freundschaften und vor allem ihr Liebesleben – alles war nur noch chaotisch. Obwohl sie fast alle Fakten für ihr Buch beisammenhatte, machten ihr die letzten Kapitel unerwartete Schwierigkeiten. Überall in ihrem Zimmer lagen Stapel von Aufzeichnungen, Hefter, Bücher und ausgeschnittene Artikel herum. Die jüngere Miss Turner schaffte an ihrem Reinigungstag etwas Ordnung in dem Tohuwabohu, und Robin brüllte sie fürchterlich an, als sie die Bescherung nach ihrer Rückkehr aus der Bibliothek sah. »Ich werde Wochen brauchen, um das alles wieder zu sortieren«, schrie sie. Als Miss Turner den Tränen nahe aus dem Zimmer stürzte, schämte sich Robin halb zu Tode und hätte am liebsten auch geheult. Statt dessen lief sie in den Salon hinunter und entschuldigte sich bei Miss Emmeline mit einem Küßchen auf die Wange, während die ältere Miss Turner und ihre Wellensittiche mißbilligend zusahen. Oben begann sie von Kopfschmerzen und Halsweh geplagt sogleich mit dem Sortieren.
    Das Schlimme war eben, dachte sie, während sie Papiere einheftete und Notizblöcke durchblätterte, daß sie immer schon eine Schlampe gewesen war. Sie brauchte jemanden wie Joe, der sich das alles ansah und ihr sagte, wie sie es ordnen sollte. Aber sie hatte Joe seit Ewigkeiten nicht gesehen. Sie hatte keine Ahnung, wo er war. Sie war mehrmals in Hackney gewesen und hatte an die Tür der Souterrainwohnung geklopft. Aber es hatte sich nichts gerührt, und die Fenster waren dunkel

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