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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Puppen und erkundigte sich nach ihren Namen. Elizabeth vergaß ihre Scheu und führte Helen in das niedrige kleine Zimmer hinten im Haus, in dem sie schlief, um ihr die Puppenwiegen zu zeigen, die Adam den beiden Schwestern zum Geburtstag geschenkt hatte.
    Auf dem Rückweg zum Dorf erzählte Adam, daß die Randalls ihren Hof vor kurzem gekauft hatten.
    »Samuel Randall hatte vom Großen Haus gepachtet. Aber dann wollte Seine Lordschaft verkaufen, und für Sam hieß das entweder alles aufgeben oder das Geld für den Kauf auftreiben.« Adam bot Helen die Hand, um ihr über den Zauntritt zu helfen. »Sie tun sich hart«, fügte er hinzu. »Aber wem geht das heute nicht so?«
    Etwas in seinem Ton veranlaßte Helen, ihn fragend anzusehen. »Aber Sie kommen doch zurecht, nicht wahr, Adam?«
    Er antwortete nicht gleich. Als sie durch die üppige Wiese voller Butterblumen und Klee schritten, erkannte Helen plötzlich, daß Thorpe Fen sich in den letzten Jahren verändert hatte. Sie hatte immer geglaubt, es sei unwandelbar, in der Zeit gefroren, aber jetzt fielen ihr die Häuser ein, die leer standen, weil ihre Bewohner in die Stadt gezogen waren, und das Land, das nicht mehr bewirtschaftet wurde und von Weberkarde und Distel überwuchert war. Als sie ein Kind gewesen war, hatte es in Thorpe Fen einen Laden gegeben. Sie konnte sich nicht erinnern, wann er geschlossen hatte.
    »Adam«, sagte sie scheu, »Sie kommen doch zurecht, nicht?«
    »Aber klar.« Er sah zu ihr hinunter und lächelte, und die unbestimmte, diffuse Furcht verflog. »Nur brauchen heutzutage nicht viele Leute meine Arbeit«, fügte er hinzu.
    Sie erinnerte sich der zwei Puppenwiegen, die so liebevoll und gewissenhaft gemacht waren, und rief: »Aber einen guten Zimmermann braucht man doch immer!«
    Am Ende der Wiese war kein Zauntritt, er reichte ihr deshalb die Hand, um ihr über das Gatter zu helfen. Als sie gerade über die oberste Stange klettern wollte, rief er: »Schauen Sie! Schauen Sie sich das an, Miss Helen.«
    Sie setzte sich auf das Gatter und betrachtete die Felder und Wiesen, die zu beiden Seiten ausgebreitet lagen wie ein bunter Teppich; die Dämme und Bäche und Gräben, die, in der Sonne silbern glänzend, die Fläche aus Blau und Schwarz durchzogen. Über ihnen spannte sich der Himmel, blau und wolkenlos.
    »Mein Großvater«, sagte Adam, »ist nie weiter als zehn Kilometer über Thorpe Fen hinausgekommen. Er hatte überhaupt nicht das Bedürfnis, wissen Sie. Mein Vater ist ein- oder zweimal im Jahr nach Ely gefahren, aber er fand die Stadt kalt und unfreundlich. Als ich 1918 aus Flandern zurückkam, hab ich mir vorgenommen, nie wieder von zu Hause wegzugehen.«
    »Und ich wollte immer reisen«, sagte Helen. Sie hatte es fast vergessen. Wie sie da auf dem Zaun saß und auf Adam Hayhoes lockiges Haar hinuntersah, kamen ihr die Tränen. »Aber weiter als Cambridge bin ich nie gekommen.«
    »Sie haben noch soviel Zeit«, sagte er.
    Sie glaubte das nicht. Sie war vierundzwanzig Jahre alt und hatte sich beinahe damit abgefunden, das Leben einer alten Jungfer zu führen und sich damit zu begnügen, ihren Vater zu versorgen, den Armen der Gemeinde zu helfen, Schühchen für die Babys anderer Frauen zu häkeln. Die Ruhelosigkeit, die sie quälte, war ohne Ziel, dazu verdammt, immer niedriger zu brennen und zu erlöschen. Sie wollte durch die Blumenwiese laufen oder in dem fernen Fluß schwimmen oder Adam Hayhoes braunen, kräftigen Arm berühren, der neben ihr auf dem Zaun lag. Aber sie wußte, daß sie nichts von alldem tun würde.
    Am 7. Juni fuhren Robin und Joe zur Olympiahalle. In der Untergrundbahn stritten sie sich, er gereizt, sie empört. Als er sie auf dem Weg die Treppe hinauf ein letztes Mal davon abzubringen versuchte, die Versammlung zu besuchen, zu der Sir Oswald Mosley aufgerufen hatte, fuhr sie zornig herum und sagte: »Ich weiß überhaupt nicht, warum du so ein Theater machst, Joe. Ich gehe, und keiner kann mich davon abbringen. Basta.«
    Sie hörte ihn vor sich hin schimpfen. »Dann bleib aber bei mir und versprich mir, daß du verschwindest, wenn es zu Gewalt kommen sollte.« Widerwillig gab sie ihm das Versprechen. Sie drängten sich durch eine Seitentür in die Halle, an einer Phalanx von Faschisten in schwarzen Hemden, schwarzen Hosen und schwarzen Stiefeln vorbei. Joe hatte seine Kamera unter seinem Mantel versteckt. Die Gesänge der Faschistengegner draußen vor der Halle waren nur noch gedämpft zu vernehmen. Drinnen war

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