Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
und danach allein, durchgefroren und durchnäßt und schwer betrunken ins Haus getorkelt war, hörte er eine kühle Stimme: »Sie werden sich den Tod holen.« Er blinzelte in die Dunkelheit. Er konnte nur die Glut ihrer Zigarette sehen.
    Sie fügte hinzu: »Ich wette, Sie wissen nicht einmal, wo Sie sind. Ich meine, Sie wissen nicht einmal den Namen dieses Hauses.«
    »Nein, ich habe keinen Schimmer«, bestätigte Francis heiter.
    »Es gehört mir, Darling. Wir sind in Surrey, und das ist mein Haus.«
    Sie kam näher. Francis rieb sich die Augen. Er sah ihr langes, ovales Gesicht, die schrägen Augen, die lange, dünne Nase und den kleinen scharlachroten Mund. Ein bemerkenswertes Gesicht: schmal und schön und unersättlich.
    »Mein Name ist Evelyn Lake«, sagte sie. »Wir sind uns schon einmal begegnet, Francis. Sie erinnern sich wahrscheinlich nicht, weil Sie damals auch betrunken waren.«
    »Tut mir leid.«
    »Es spielt keine Rolle.« Den Kopf zur Seite geneigt, musterte sie ihn. »Sie sehen wirklich ziemlich albern aus. Sie sollten diese nassen Sachen lieber ausziehen.«
    Einen Moment lang war er nicht sicher, was sie da zu ihm sagte. Aber als sie dann hinzufügte: »Beeilen Sie sich, Francis, sonst kommen die anderen«, schüttelte er seine Benommenheit ab und folgte ihr nach oben.
    In einem Schlafzimmer, das ganz in Gold und Türkis gehalten war, schlief er mit ihr. Oder genauer gesagt, sie schlief mit ihm. Sie sagte ihm, was er tun solle, und er tat es. Er fühlte sich, als wäre er wieder siebzehn, ein dummer, unerfahrener Junge, der keine Ahnung hatte. »Nein, das nicht«, sagte sie gereizt, wenn ihr mißfiel, was er tat. »Das ist langweilig, Francis – enttäusch mich nicht. Gebrauch deine Phantasie.« Er gebrauchte also seine Phantasie und ihre, die launisch und hemmungslos und schnell gelangweilt war. Und irgendwann in den frühen Morgenstunden, als sie zwei Zigaretten anzündete und ihm eine reichte, sagte er: »Habe ich dich enttäuscht?«
    Sie zog an ihrer Zigarette. »Nicht allzusehr.« Dann sagte sie: »Du läßt dich von uns benützen, nicht wahr, Francis?«
    Er warf ihr einen scharfen Blick zu. Evelyn saß aufrecht im Bett, die Satindecken abgestreift. Schatten lagen unter ihren Brüsten und in ihrem Schoß.
    »Ja, wahrscheinlich.«
    »Und dafür benützt du uns. Wozu, Francis?«
    Er war aufrichtig. »Theo kennt die richtigen Leute. Ich hoffe, er wird mich mit einigen von ihnen bekannt machen.«
    »Knapp bei Kasse, Darling?«
    Sie mußte schwer reich sein, dachte er. Und sie trug keinen Ehering.
    »Ganz schrecklich«, antwortete er.
    »Die Frage ist nur«, meinte sie, »ob du das Durchhaltevermögen hast. Theo verlangt eine Menge Unterhaltung für sein Geld, verstehst du.«
    Er sah, daß sie lächelte, ihn vielleicht ein wenig auslachte. Und er dachte an Robin und empfand tiefes Schuldbewußtsein. Er stand auf und kleidete sich an und schwor sich, Evelyn Lake in Zukunft zu meiden.
    Aber nur wenige Wochen später begegneten sie einander wieder. Er war mit Robin in einem kleinen Nachtklub in Soho, und irgendwann in den frühen Morgenstunden, als er gerade mit ihr tanzte, tippte ihm jemand auf die Schulter und sagte: »Es ist alles vorhersehbar geworden. Ein paar von uns ziehen weiter zu Theo. Wir brauchen dich, Francis.«
    Er erkannte ihre Stimme sofort. Es lief ihm kalt den Rücken hinunter, ein Phänomen, das er bisher nur aus billigen Romanen kannte. Francis hatte sich den MG eines Freundes geliehen. Er fuhr, Robin saß vorn neben ihm, Evelyn auf dem Rücksitz. Ihre Anwesenheit beunruhigte ihn. Als sie trocken und gelangweilt sagte: »Fahr schneller, Francis, das ist ja fad«, drückte er aufs Gas und raste wie ein Wahnsinniger durch die dunklen Londoner Straßen.
    Theo Harcourts Haus in Richmond war voller Menschen. Ein Grammophon lief im Salon, wo die Terrassentür offenstand, so daß Musik und tanzende Paare in den von einer Mauer umschlossenen Garten hinausfluteten. Junge Männer plünderten in der Küche im Souterrain Speisekammern und Kühlschrank und hinterließen einen Müllhaufen von leeren Flaschen und schmutzigen Tellern. Robin suchte nach sauberen Tassen und Untertassen, um Tee zu machen. Leute gingen aus und ein, in Gespräche verwickelt.
    »Ja – aber wenn jemand deine Schwester bedrohen würde –«
    »Mach dich nicht lächerlich, Leo –«
    »Das ist nicht lächerlich. Wenn so ein Schwein mit einem Gewehr deine Schwester bedrohen würde – wenn er sie, du weißt schon

Weitere Kostenlose Bücher