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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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tun!«
    »Du kannst gar nicht anders, Robin.« Sein Ton war endgültig.
    Sie ballte die Fäuste und drückte sie auf ihre Augen. »Ich ertrag es nicht, Joe.« Ihre Stimme zitterte. »Ich ertrag es einfach nicht.«
    Er führte sie zu einer Bank unter einer Buche. »Du weißt nicht mit Sicherheit, ob das mit Vernon stimmt, Robin – das hast du selbst zugegeben. Und Hugh ist ein erwachsener Mann. Er kennt Maia vielleicht besser, als du glaubst. Du mußt ihm seine eigenen Entscheidungen überlassen.«
    »Du weißt ja nicht, wie es war, als Steven gestorben ist und Hugh so krank war.« Ihre Stimme war ruhiger, ihr Blick auf den Teich gerichtet, als sie sich des schrecklichen Tages im Jahr 1918 erinnerte. »Ich war damals ein kleines Mädchen – ich kann mich erinnern, daß ich meine Eltern über Stevie und Hugh reden hörte, und ich kann mich erinnern, daß ich in den Garten hinausgelaufen bin und zum Haus zurückgeschaut habe, das ganz verschneit war, und gedacht habe, daß sich alles verändert hat. Und ich hatte recht. Es hatte sich wirklich alles verändert. Stevie ist nie zurückgekommen, und Hugh war nie wieder der alte. Er ist beinahe umgekommen. Ich könnte es nicht aushalten, wenn er noch einmal so etwas durchmachen müßte.«
    Sie sah, wie Joe die Brauen zusammenzog und sich die Stirn rieb, und dachte flüchtig, wie sehr sie sich daran gewöhnt hatte, stets auf ihn zählen zu können.
    »Wenn sie beide verwundet sind«, sagte er, »wenn sie beide verletzt worden sind, dann werden sie sich vielleicht gegenseitig heilen.«
    Die Frau und der kleine Junge waren gegangen, und eine Bö blies durch die Bäume, so daß die Blätter wie Konfetti herabfielen.
    »Maia hat in ihrem ganzen Leben nie einen Menschen geliebt. Wie soll sie da Hugh lieben können?«
    Ihre Stimme war tonlos. Sie war in diesem Moment tief traurig. Sie hörte Joe sagen: »Es ist nicht nur Hugh, nicht wahr, Robin?« und schüttelte den Kopf. Sie hatte ihm nichts von Francis erzählt, aber es überraschte sie nicht, daß er es erraten hatte. Die Grausamkeit und die Demütigung, die Francis ihr angetan hatte, mußte ihr ins Gesicht geschrieben sein. In den sechs Tagen seit ihrer Flucht aus Bournemouth war auf den ersten Schock das brennende Verlangen gefolgt, ihn wiederzusehen, koste es, was es wolle, und dann die herzzerreißende Hinnahme der Tatsache, daß es vorbei war.
    »Es ist Francis«, sagte sie und begann zu weinen. »Fünf Jahre«, flüsterte sie, »und er hat es weggeworfen, als wäre es nichts. Wie konnte er nur, Joe? Wie konnte er?«
    Joe nahm sie in den Arm, sie legte ihren Kopf an seine Schulter, und so blieben sie lange sitzen. Die Tränen tropften auf das Revers ihres Regenmantels. Sie hatte Kopfschmerzen, und ihre Augen brannten. Es wurde langsam dunkel. Sie wischte sich die Augen. »Ach, Joe«, sagte sie, »du bist so lieb. Bei dir fühle ich mich so wohl. Was wolltest du mir sagen? Ich habe ja stundenlang nur von mir gesprochen.«
    Er sah zu ihr hinunter. »Ich weiß es nicht mehr. Es war nichts Wichtiges.« Es war so dunkel, daß sie sein Gesicht nicht sehen konnte.
    Sie stand auf. »Ich bin fertig mit der Liebe. Nie wieder, Joe – das verspreche ich dir.«
    »Das müssen wir begießen«, sagte er. »Komm, wir gehen ins Six Bells und trinken auf ›Schluß mit der Liebe‹.« Und sie ging mit ihm durch den Park zur Straße hinaus.

Teil 4
     
    1936–1938  
     

14
     
    Der Wind wirbelte die Wege zu schwarzem Staub auf und riß an den zarten roten Blütenblättern des Mohns. Die hohen Halme des reifenden Getreides schlugen Helen um die Beine, als sie, die Arme noch beschwert von der Erinnerung an den kleinen Michael, von den Randalls nach Hause ging. Fast jeden Tag war sie den Herbst hindurch, wenn der sumpfige Boden unter ihren Füßen gegluckst und die Dornen der Brombeeren an ihrem Rock gerissen hatten, diesen Weg gegangen. Im Oktober hatte Maia ihr von ihrer Verlobung mit Hugh erzählt. Helen hatte es nichts ausgemacht, sie war über Hugh hinweg, aber aus irgendeinem Grund glaubte sie nicht, daß die beiden glücklich werden würden. Im Winter hatte Frost das Moor überzogen, und der Brunnen, aus dem das Pfarrhaus sein Wasser bezog, war eingefroren. Sie hatten das Wasser aus der Regentonne heiß gemacht und in den Brunnen gegossen, bis das Eis geschmolzen war.
    Jetzt war Sommer. Helen kam zu Hause an, als der Gong zum Abendessen ertönte, und nahm sich nur die Zeit, um sich umzuziehen. Es war heiß und stickig im Haus.

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