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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Armen hielt, ging es ihr gleich besser. Die trostlose Vorstellung eines formlosen und sinnlosen Universums verflüchtigte sich, als er sie mit krähendem Lachen und schmatzenden Küssen willkommen hieß. Mit Mrs. Randall zusammen fütterte sie den Kleinen und legte ihn danach zum Mittagsschlaf.
    Erst als sie ihren Hut aufsetzte und sich zum Gehen fertigmachte, fiel ihr auf, wie Susan Randall sie ansah. Michaels Mutter schloß die Tür der kleinen Garderobe, damit sie ungestört blieben.
    »Helen – ist alles in Ordnung?«
    »Aber ja.« Helen lächelte strahlend.
    »Aber Sie kommen doch sonst nie sonntags.«
    »Nein.« Helen knöpfte ihre Handschuhe und runzelte die Stirn. Sie hatte sich nicht klargemacht, daß ihr Besuch einen sonderbaren Eindruck machen würde. »Mir war in der Kirche nicht ganz gut«, log sie. »Es war so heiß. Und ich bin doch so gern bei Michael.«
    »Ja, natürlich. Ich weiß, wie gern Sie ihn haben.« Doch Susan Randall wirkte immer noch besorgt und verwirrt.
    Auf dem Heimweg überlegte sich Helen, daß sie vorsichtiger sein mußte. Wenn sie sich gelegentlich unwohl fühlte – krank, konfus, haltlos, ihre »Schwarzen Tage« hatte, wie sie es insgeheim nannte, wenn ihr war, als kniete sie am Rand eines finsteren Abgrunds, in den sie jeden Moment hinunterstürzen konnte –, dann mußte sie es verbergen. Mrs. Randall würde ihr Michael vielleicht nicht mehr anvertrauen, wenn sie glaubte, sie sei nicht gesund. Und das könnte sie nicht aushalten.
    Maia hatte beinahe sofort gesehen, daß ihre Verlobung mit Hugh ein Ding der Unmöglichkeit war. Gleich in der ersten Nacht nach seinem Antrag hatte sie stundenlang wach gelegen und zur Zimmerdecke hinaufgestarrt, während sie im Geist einen Brief verfaßt hatte, um die Verlobung zu lösen, noch ehe sie publik geworden war. Aber als sie am Morgen aufgestanden war, hatte sie ihn nicht geschrieben. Es wäre zu grausam gewesen. Und als Hugh sie besucht hatte, seinerseits gezeichnet von einer schlaflosen Nacht, aber der Seligkeit, hatte sie auch nichts gesagt.
    Sie hatte die Dinge einfach treiben lassen. Hugh drängte nie, er übte niemals Druck aus, doch seine glückstrahlende Beharrlichkeit zermürbte sie. Im Oktober hatte sie seinem Wunsch, seiner Familie von ihrer Verlobung Mitteilung zu machen, schließlich nachgegeben. Zu Weihnachten hatte sie sich von ihm einen Ring schenken lassen. Im April setzten sie ihren Hochzeitstag für Dezember fest.
    Und jetzt war sie in London zur Anprobe ihres Hochzeitskleides. Da sie Witwe war, würde sie in einem silbergrauen Kostüm heiraten und in einem karminroten in die Flitterwochen reisen. Die Stoffbahnen fielen in üppigen schimmernden Falten zum Boden des kleinen Schneiderateliers herab. Maia fand, das Grau sähe verstaubt aus. Und das Karminrot – es war ein Fehler gewesen, Karminrot zu nehmen, es stand ihr nicht, sie war zu blaß dafür. Außerdem wirkte es wie Blut.
    Welch eine Ironie, dachte sie, während die Schneiderin mit Nadeln und Maßband hantierte, daß Hugh als einziger seiner Familie auf Konventionen hielt und unbedingt heiraten wollte. Eine Liaison, wie sie sie mit Charles Maddox oder Harold Frere niemals in Betracht gezogen hätte, wäre ihr mit Hugh gerade recht gewesen. Doch Hugh hatte nicht mit sich reden lassen, als sie etwas in dieser Richtung vorgeschlagen hatte. Etwas anderes als Heirat kam für ihn nicht in Frage. Er wollte nicht einmal vor ihrer Hochzeitsnacht mit ihr schlafen. Sie fragte sich, wieviel Erfahrung mit Frauen er eigentlich hatte. Das leidenschaftliche Feuer, das sie an dem Gewittertag einander in die Arme getrieben hatte, war nicht wieder aufgeflammt; sie hielt es für möglich, daß Hugh in Beziehung auf Sexualität so unsicher war wie sie. Es war das einzige, was sie miteinander gemeinsam hatten. In jeder anderen Hinsicht, in der wichtigsten Hinsicht, waren sie völlig verschieden voneinander. Denn er war gut und sie nicht.
    Seine Güte, seine Geduld vereitelten jeden ihrer halbherzigen Versuche, die Verlobung zu lösen. Wenn sie gereizt war, war er verständnisvoll; wenn sie niedergeschlagen war, brachte er sie zum Lachen. Wenn sie überhaupt einen Mann hätte heiraten können, dann wäre dieser Mann Hugh Summerhayes gewesen. Auch wenn sie selbst nicht gut war, war sie dennoch fähig, das Gute bei anderen zu erkennen. Sie wußte, wie Hugh war; das Schwierige war, daß Hugh noch nicht wußte, wie sie war. Schnodderigkeit und Zynismus, Waffen, mit denen sie sich seit

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