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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Backfischzeit, die sie längst hinter sich geglaubt hatte, stellten sich wie in grausamer Parodie wieder ein: Sie war gehemmt, tolpatschig und taktlos. Sie hatte den Eindruck, daß er sie weniger oft besuchte, daß er sie bei Versammlungen und Kundgebungen nicht mehr mit derselben herzlichen Freude begrüßte wie früher.
    Sie nahmen die Eisenbahn in die South Downs und machten eine lange Wanderung in der schwülen Julihitze. Alles ging schief: Robin fiel in eine Pfütze, als sie über einen Zauntritt kletterte; ein Stier wollte sie angreifen, als sie über eine Weide gingen. Früher hätten sie über solche Zwischenfälle gelacht, aber ihr Umgang miteinander war steif und förmlich geworden, selbst ihre Gespräche entwickelten sich mühsam und stockend. Nach der Rückkehr nach London aßen sie zusammen zu Abend. Sie sprachen kaum etwas, das ganze Restaurant schien von ihrer Nervosität durchzogen. Sie mußten ewig auf ihr Essen warten, und als es kam, war es kaum zu genießen. Joe, der selten die Geduld verlor, schien am Rand seiner Beherrschung, als er mit dem Kellner sprach.
    Nach dem Essen sagte er: »Komm doch noch mit zu mir, Robin. Ich muß dir etwas sagen.«
    Auf dem Weg zu seiner Wohnung war sie fast atemlos vor Anspannung. Joe trug die halbe Flasche Wein, die sie in das Restaurant, das keine Schankerlaubnis hatte, mitgenommen hatten. Es war dunkel und spät; sie sprachen fast nichts.
    In seiner Wohnung zog sie ihre Wolljacke aus. Es war drückend im Zimmer. Er nahm zwei Gläser aus dem Schrank, füllte sie und reichte ihr eines.
    Er sagte: »Ich glaube, wir sollten uns nicht mehr so häufig sehen, meinst du nicht auch?«
    Sie sah ihn an. Sein Gesicht war starr, sein Blick dunkel und kalt. Sie sagte nur: »Oh«, aber eine tiefe Traurigkeit erfüllte sie. Das hab ich wahrscheinlich so an mir, dachte sie. Wenn sie es sich überlegte, hatten nicht viele ihrer Freundschaften länger als ein paar Jahre gehalten. Es fiel ihr leicht, zu Menschen Kontakt zu bekommen, aber mit der Zeit begann sie sie dann offenbar zu langweilen.
    »Ich meine«, fügte er hinzu, »es klappt ja nicht, oder?«
    »Du hast genug von mir«, platzte sie heraus.
    »Nein!« Er zog die Brauen zusammen, seine Stimme klang zornig. »Es ist genau andersherum, oder nicht? Komm schon, Robin, du hast dich verändert, das muß dir doch klar sein.«
    »Ja, wahrscheinlich.« Ihre Stimme war gequält. »Aber ich dachte, wir könnten trotzdem Freunde bleiben.«
    Mit seinem Glas in der Hand ging er zum Fenster. Er stand mit dem Rücken zu ihr. Seine Gestalt hob sich dunkel vom dunklen Himmel ab. Sie hörte ihn sehr leise sagen: »Das dachte ich auch. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Ich glaube, ich habe genug. Ich bin – ausgebrannt.«
    Seine Worte trafen sie tief. Heftig rief sie: »Ja, ich bin wahrscheinlich nicht so hübsch wie Clodie – und Vivien ist ja so elegant –«
    Er drehte sich mit einem Ruck nach ihr um. Sie sah die Verwirrung in seinem Blick. »Clodie? Vivien? Was haben die damit zu tun?«
    »Das liegt doch wohl auf der Hand.« Er spielt mit mir, dachte sie zornig.
    »Für mich nicht.« Sein Gesicht war wieder kalt und verschlossen. Dunkle Schatten zogen sich von seinen Augen abwärts und sammelten sich um seinen starren Mund.
    Ein schrecklicher Schmerz darüber, daß er sie verlassen wollte, ergriff sie. »Sie waren deine Geliebten.«
    »Wie Francis dein Geliebter war.«
    Sie sagte voll Bitterkeit: »Du magst – du liebst – wahrscheinlich nur Frauen, die älter sind als du.« Die Tränen wollten ihr kommen, doch sie unterdrückte sie. »Du bist immerhin – konsequent, Joe.«
    Heftige Erregung flammte in seinen Augen auf. Eine kleine Bewegung seiner Hände, und das Glas, das er hielt, zersprang mit einem erschreckenden kleinen Knall. Rote Flüssigkeit ergoß sich auf den Boden.
    »Wie du?« sagte er leise. Seine Lippen kräuselten sich. »›Nein, in Ketten ist mein Herz. Und wird niemals frei sein.‹«
    Die vertrauten Worte verhöhnten sie. Entsetzt starrte sie ihn an. Das Rot, das von seiner Hand herabrann, war nicht nur Wein; Blut quoll aus einem Schnitt, der seine ganze Handfläche durchzog. Es zerriß ihr das Herz, daß sie ihn jetzt verlieren sollte, daß sie zu spät verstanden hatte.
    »Ja«, sagte sie. »Ich habe Francis geliebt – früher einmal.«
    Auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Er machte keine Bewegung. »Früher einmal?«
    Sie nickte, sprechen konnte sie nicht. Nur ein paar Schritte trennten sie

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