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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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voneinander, aber sie konnte diesen kurzen Abstand nicht überbrücken. Wie sollte man einem Menschen wie Joe, der einer tiefen und leicht verletzbaren Liebe fähig war, erklären, daß man sich so sehr getäuscht hatte? Wie sollte man einem leidenschaftlichen, besitzergreifenden Mann beibringen, daß man einen so fundamentalen Irrtum begangen hatte?
    Als er sprach, hörte sie die Erschöpfung in seiner Stimme. »Was genau – willst du damit sagen, Robin?«
    Und plötzlich war es ganz einfach. »Daß ich dich liebe, Joe.«
    Noch immer rührte er sich nicht: Blut rann seinen Unterarm entlang und färbte den hochgekrempelten Ärmel seines Hemds.
    »Ich liebe dich schon so lange, Joe, aber ich war zu dumm, um es zu erkennen. Ich habe Francis auch geliebt, aber das war etwas andres. Es war nichts, was von Dauer sein konnte, und ich habe den Fehler begangen zu versuchen, es festzuhalten. Aber es ist vorbei – ich will nichts mehr von ihm.«
    »Liebe ist – so ein ungenaues Wort.«
    Doch sie sah die Hoffnung in seinem Blick und wußte, selbst wenn sie sich irrte, selbst wenn sie sich erneut demütigte, mußte sie die Wahrheit sagen.
    »Ich liebe dich, Joe. Ich möchte bei dir sein, wenn du morgens aufstehst, und ich möchte bei dir sein, wenn du abends von der Arbeit nach Hause kommst. Ich möchte den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Ich möchte Kinder von dir.«
    Sie ging auf ihn zu. Die Sohlen ihrer Sandalen knirschten auf den Glasscherben.
    »Ich möchte mit dir schlafen, Joe. Jetzt. Bitte.«
    Sie nahm seine verletzte Hand und hob sie an ihren Mund und küßte die dünne rote Linie, die quer über seine Handfläche lief. Dann küßte sie seinen Hals und dann seinen Mund. Sie hörte ihn leise sagen: »Bist du sicher?«, aber sie wußte, daß die Antwort ihres Körpers, der sich an ihn drückte, genügte. Als seine Lippen die ihren berührten, als sie seinen gespannten Körper spürte, der nach ihr hungerte, verflog alle Unsicherheit.
    Er führte sie weg von den Glasscherben und der Weinpfütze auf dem Boden. Er bedeckte ihr Gesicht und ihr Haar mit Küssen; ihre Lippen suchten seine Haut. Der Rand des Keramikbeckens drückte in Robins Rücken. Töpfe und Pfannen fielen klirrend zu Boden, ihre hastig heruntergerissenen Kleider landeten auf Schüsseln und Kasserollen. Ihre Knie gaben nach, als sein Mund den ihren fand, seine Zunge die Wölbung ihres Halses, ihrer Brust, ihres Bauches nachzeichnete. Sie fielen zu Boden, und dann war er in ihr, und sie bewegte sich im Rhythmus mit ihm. Der Moment der Ekstase kam schnell. Er war überwältigend und beinahe schmerzhaft in seiner Intensität, und sie schrie auf und fühlte sein Zittern, als sie ihn umfing. Ihr Kopf fiel auf seine Brust, und sie blieb so, ohne sich von ihm zu lösen. Zuerst durchdrang nur ihr erschöpftes Keuchen die Stille.
    Dann sagte Joe: »O verdammt, ich bin mit dem Ellbogen direkt in einer Gabel gelandet«, und sie begann zu lachen.
    Irgendwann in der Nacht schafften sie es bis ins Schlafzimmer und liebten sich noch einmal, ehe sie in die Kissen fielen. Am frühen Morgen, als sie nach kurzem Schlaf erwachte, lag sein Arm immer noch um ihren Körper, Decken und Leintücher waren zu Boden gefallen.
    Sie fuhren für eine Woche nach Northumberland und wanderten, der langen gewundenen Linie der Hadriansmauer folgend über die wilden, vom Wind gepeitschten Hochmoore. Nachts im Zelt lagen sie dicht aneinandergedrängt. Sie liebten sich an einem einsamen Wasserfall und badeten danach nackt im eiskalten, moorigen Wasser. Robin wickelte sich in eine Decke und steckte sich Heidekraut ins Haar. Der Waldgeist, sagte sie und tanzte nach Art von Isadora Duncan zwischen bemoosten Baumstümpfen und Gruppen honigfarbener Pilze, ehe sie sich lachend zu Boden warf. An einen Baumstamm gelehnt, machte Joe zahllose Fotos von ihr.
    Am letzten Tag ihres Urlaubs wanderten sie von dem Fischerdörfchen Craster aus nach Dunstanburgh, der verfallenen Schloßruine, die hoch auf einem schwarzen Basaltfelsen stand. Kormorane bevölkerten die Klippen, und das federnde Gras war mit Strandnelken und wildem Thymian gesprenkelt. In Craster müsse man Räucherhering essen, behauptete Joe, also setzten sie sich in ein kleines Pub in der Nähe des Hafens und lösten durchsichtig feine Gräten aus dem braunen Fleisch des Fischs.
    Am folgenden Tag nahmen sie in Alnwick den Zug und belegten das ganze Abteil mit ihren Sachen, um das kostbare Alleinsein noch ein wenig länger genießen zu

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