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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Lapislazulisplittern heraus, den er gekauft hatte, und stopfte ihn ganz unten in seinen Rucksack.

15
     
    Maia traf sich mit Monsieur Cornu, einem Hersteller feiner Damenunterwäsche, in einem Restaurant auf dem Strand. Léon Cornu war Maias Schätzung nach Anfang Fünfzig: gepflegt, gutaussehend, kultiviert und weltgewandt. Monsieur Cornu war in Paris verheiratet, hatte vier Kinder und, so munkelte man, eine blutjunge Geliebte. Einmal im Jahr genoß Maia das Vergnügen eines Mittagessens mit ihm; sie sprachen nie über private Dinge, sondern ausschließlich über die Firma Merchant und Monsieur Cornus exklusives kleines Geschäft in der Avenue Montaigne in Paris; über die Kosten von Rohmaterial und Arbeitskräften; über die Schwierigkeiten, Elfenbeinknöpfe einer bestimmten Größe oder Satinband einer besonderen Farbe zu bekommen.
    »Mein Buchhalter wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen«, sagte Maia beim Kaffee, »und ich freue mich auf unser Lunch im nächsten Jahr, Léon.«
    Sie warf einen Blick auf die Uhr und sah, daß sie drei Stunden zusammengesessen hatten; drei Stunden, in denen es ihr gelungen war, nicht an den anderen Anlaß zu denken, der sie an diesem Tag nach London geführt hatte.
    Léon lächelte. »Hoffen wir, daß unsere kleinen Mittagessen auch in Zukunft stattfinden werden, ma chère Maia.«
    Ein Unterton in seiner Stimme veranlaßte sie, ihm einen scharfen Blick zuzuwerfen.
    Er zuckte die Achseln. »Ich nehme doch an, Maia, Sie fragen sich ebenso wie ich, wie lange es in Europa noch einen Markt für Luxusgüter geben wird.«
    »Frauen werden immer hübsche Dinge kaufen – für ihre Aussteuer … für Geburtstage …«
    Léon winkte dem Kellner, um noch einmal Kaffee zu bestellen. Als ihre Tassen frisch gefüllt und sie wieder allein waren, sagte er: »Nun ja, ich vermute, Sie fühlen sich sicher hier auf Ihrer kleinen Insel.« Sein Blick schweifte durch das wohlgefüllte Restaurant, über die Tische mit den plaudernden Gästen, den Männern in ihren dunklen Dreiteilern, den Frauen in den Schneiderkostümen und den kecken kleinen Hütchen. Verwundert glaubte Maia, Spott in seinen Augen zu erkennen.
    »Léon, wovon sprechen Sie?«
    Er wandte sich ihr wieder zu. »Lesen Sie keine Zeitung, Maia?«
    »Aber natürlich. Ich beschäftige mich allerdings mehr mit dem Wirtschaftsteil. Die Politik ist so deprimierend.«
    »Aber das eine kann das andere beeinflussen. Und Krieg in Europa, meine Liebe? Nicht einmal England kann das ignorieren.« Sein Ton war trocken, beinahe erheitert. Er klappte sein Zigarettenetui auf und bot es Maia an.
    »Ach so, Spanien meinen Sie.« Hugh hatte mit ihr über Spanien gesprochen, und Daisy und Richard und ihre Freunde hatten mit einer Ausführlichkeit und einer Leidenschaft über Spanien diskutiert, die Maia, die nur gelangweilt versucht hatte, ihr Gähnen zu unterdrücken, völlig fremd war.
    »Richtig, Spanien«, bestätigte Léon. Er gab ihr Feuer.
    »Gott, das ist ein Bürgerkrieg, Darling. Mit uns hat das nichts zu tun.«
    Er zog leicht die Augenbrauen hoch. »Die Großmächte könnten in diesen Krieg hineingezogen werden – das ist übrigens genau das, was Großbritannien und Frankreich befürchten. Darum halten sie sich aus allem heraus.«
    »Und Sie mißbilligen das, Léon?«
    »Ich glaube nicht, daß man sich ewig heraushalten kann, und darum habe ich vor, mich und meine Familie abzusichern. Ich kaufe ein Geschäft in New York.«
    »Für den Fall, daß es in Europa Krieg gibt?«
    Wieder dieses feine, belustigte Lächeln. »Wenn es Krieg gibt«, sagte er, »werde ich mit meiner Familie nach Amerika auswandern. Ich bin Jude, Maia.«
    Beinahe hätte sie gesagt: »Aber was spielt denn das für eine Rolle?«, aber sie unterdrückte es noch rechtzeitig. Obwohl sie wußte, daß es Antisemitismus sowohl in England als auch auf dem Kontinent gab, dachte sie selbst selten über solche Dinge nach. Religion, Aussehen, Hautfarbe eines Menschen waren ihr nie sehr wichtig gewesen.
    Maia ging wenig später. Sie küßte Léon auf beide Wangen und ließ sich von ihm versprechen, daß er mit ihr in Verbindung bleiben würde. Sie meinte, er täusche sich, er sei unnötig vorsichtig, dennoch hatte das Gespräch sie beunruhigt.
    Draußen atmete sie tief durch und nahm den schwierigeren Teil des Tages in Angriff. Sie winkte einem Taxi.
    »Harley Street«, sagte sie, als sie einstieg.
    Maia fühlte sich müde und gereizt, als sie an diesem Abend von London nach Thorpe Fen fuhr.

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