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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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kleines Zurückweichen. »Hester ist sogar für ein Dienstmädchen der Familie Summerhayes ungewöhnlich verrückt.«
    »Hugh – würdest du die Gäste ins Speisezimmer bitten. Ich glaube, wir können jetzt essen.«
    Kerzen brannten auf dem langen, zerschrammten Tisch. Die Samtvorhänge in satten, leicht verschossenen Terrakotta- und Ockertönen waren zugezogen, so daß man höchstens einen schmalen Ausschnitt der kalten, dunklen Landschaft draußen sehen konnte. Zwei Wände wurden von deckenhohen Bücherregalen eingenommen, und die im offenen Kamin aufgeschichteten Holzscheite glühten in einem warmen Rot. Angeregte Gespräche wurden geführt, während das Mädchen die Consommé servierte.
    »Was meinst du, wird die Schule dir fehlen, Richard?«
    »Sicherlich. Aber ich werde die Verbindung nicht abreißen lassen.«
    »Gräßlicher Beruf, Lehrer. Ich hab's einmal versucht, gleich nach der Kunstakademie. Genau eine Woche hab ich's ausgehalten.«
    »Ich habe ein paar Sachen für den Weihnachtsbasar zurechtgelegt, Daisy. Ich dachte, wir könnten dieses Jahr den gesamten Erlös für Spanien stiften.«
    »Butter – Ma, es ist keine Butter da –«
    »Ich geh schon.«
    »Das ist lieb von dir, Philip. In der Speisekammer auf dem obersten Bord. Maia, das ist ja ein entzückendes Kleid.«
    »– eine ganz fabelhafte kleine Galerie, Merlin. Ich habe ein halbes Dutzend Stücke verkauft – ich werde ein Wörtchen für dich einlegen.«
    Eine schmerzliche Abwesenheit, wie ein dunkler Schatten am Rand des Behaglichen und Altvertrauten. Wenn Joe etwas zustieße, würde sie es dann irgendwie spüren? Oder würden sie einfach essen und reden und lachen und sich kabbeln wie immer?
    Kalter Lachs, mit Gurke und Tomate garniert. Persia sagte: »Ich bin sicher, es schneit«, und als Robin zum Fenster blickte, sah sie kleine Flocken, bernsteinfarben im Kerzenlicht, das nach draußen fiel.
    Roastbeef und Yorkshire-Pudding. Kartoffeln Dauphinois und Gemüseallerlei und Daisys Spezialität, eine sehr scharfe Meerrettichsoße. Das Mädchen ließ die Sauciere fallen, und es gab einen Riesenfleck auf den Fliesen in der Halle. Richard verabreichte dem hysterisch schluchzenden Mädchen ein Glas Madeira zur Beruhigung und schickte sie in ihr Zimmer hinauf, damit sie sich hinlegen konnte. Daisy holte Schrubber und Eimer und machte die Bescherung wieder sauber, während Robin die Porzellanscherben einsammelte. Daisys Seidenkleid war hinterher immer noch makellos; Robins Kleid hatte einen braunen Ring um den Saum.
    Daisy flüsterte, als sie ins Speisezimmer zurückkam: »Die arme Hester ist gar nicht gut beieinander. Sie vermißt immer noch ihr Baby.«
    Persia zog die Augenbrauen hoch. »Ach, wieder eine uneheliche Mutter, Daisy, Darling?«
    »Es ist jetzt sechs Wochen her, aber manchmal sitzt sie nur da und weint sich die Augen aus, das arme Ding.«
    »Das Frühstücksporridge ist mit Hesters Tränen gewürzt.«
    »Aber es ist natürlich das Beste so.«
    »Ja, natürlich, nicht wahr?«
    Plötzliche Stille. Maias Worte, mit sarkastischer Schärfe gesprochen, hingen im Zimmer.
    Richard sagte höflich: »Du bist anderer Meinung, Maia?«
    »Aber nein, selbstverständlich nicht.« Maia lächelte dünn und streute Salz auf ihr Gemüse. »Eine bessere Lösung könnte es doch gar nicht geben. Irgendeine wohlhabende Frau erspart sich die Mühe einer Entbindung, Hester braucht sich nicht zu prostituieren, um ihren kleinen Fehltritt durchzubringen, und die Familie Summerhayes hat eine Haushaltshilfe. Und ein reines Gewissen.«
    Hugh berührte Maias Arm. »Darling –«
    Wieder dieses schnelle Zurückzucken, als verbrenne seine Berührung sie. Maia sagte: »Ein Mädchen, das den Küchenboden scheuert und ein angenehmer Hauch von Selbstzufriedenheit. Kein schlechtes Geschäft. Vielleicht sollte ich mir mein Personal auch aus dem Heim der Heilsarmee für gefallene Frauen holen.«
    Wieder trat ein kurzes Schweigen ein. Dann setzte Persia ihr höfliches Gespräch mit Philip Shaw fort; die Warburtons, die Maia einen flüchtigen Blick zugeworfen hatten, wandten sich taktvoll ab und sprachen weiter mit Daisy über Spanien. War sie denn die einzige, fragte sich Robin, die das gefährliche Leuchten in Maias Augen sah und den aufgestauten, zerstörerischen Zorn hinter den zynischen Worten spürte? War sie die einzige, die den Schmerz in Hughs Gesicht bemerkte?
    »Du beschuldigst uns der Heuchelei, Maia«, sagte Richard behutsam. »Du magst vielleicht recht

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