Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
Vom Netzwerk:
auch nicht erwartet, daß er sich in eine hochgewachsene, schmale, dunkelhaarige Französin verlieben würde, aber so war es geschehen, und es hatte sein ganzes Leben verändert. Er hatte Thérèse geheiratet, weil ihm ohne sie alle Arbeit und aller Gewinn, die sein Leben ausmachten, sinnlos erschienen wären. Und sie hatte ihn geheiratet, weil sie es nicht ertragen konnte, in Paris zu bleiben, wo alles sie an den Mann erinnerte, den sie geliebt und verloren hatte.
    Aber all die düsteren, kalten Jahre, die sie in Yorkshire zugebracht hatte, hatte sie einen Teil ihres Herzens ihrer ersten Liebe bewahrt. Wenn sie ihren Mann angesehen hatte, war ihr Blick gleichgültig gewesen, ihr Lächeln höflich, aber nicht liebevoll. Und als sie all ihre Liebe ihrem Sohn geschenkt hatte statt ihrem Mann, mußte John Elliot tief enttäuscht gewesen sein.
    Er merkte, daß Claire behutsam seine Schulter berührte. »Es ist so lange her«, sagte sie. »Es spielt jetzt keine Rolle mehr.«
    Aber es spielte sehr wohl eine Rolle. Es spielte eine Rolle, daß eine erste Liebe nicht vergessen werden konnte; es spielte eine Rolle, daß heiße, berauschende Leidenschaft nicht durch Loyalität, Beständigkeit und Hingabe ersetzt werden konnte.
    Er zwang sich, über andere Dinge mit ihr zu sprechen, vergewisserte sich, daß sie eine gute Unterkunft gefunden hatte, schrieb sich ihre Adresse auf. Aber die ganze Zeit bedrängten ihn die Schatten. Als er ihr in den Mantel half und sie hinausbrachte, sah er, daß es zu regnen begonnen hatte. Er blickte ihr nach, bis sie verschwunden war, dann warf er seinen Mantel über und begann zu gehen, ohne Ziel.
    Als Robin aus der Klinik kam, sah sie den Mann auf der anderen Straßenseite stehen, den Kopf gesenkt gegen den dünnen Regen.
    Obwohl sie Francis seit dem schrecklichen Ausflug nach Bournemouth vor beinahe einem Jahr nicht mehr gesehen hatte, erkannte sie ihn sofort. Anfangs hatte sie seine Freunde und seine Stammlokale gemieden, und als sie später, verärgert über solche Verrenkungen, die vertrauten Pubs und Cafés wieder aufgesucht hatte, war sie ihm nie begegnet.
    Sie überquerte die Straße und tippte ihm auf die Schulter. Er drehte sich herum und lächelte.
    »Robin! Ich habe auf dich gewartet.«
    Sie sah, was das vergangene Jahr aus ihm gemacht hatte. Die Zeit und sein Lebenswandel hatten ihm beinahe seine Schönheit geraubt, die Farbe seines Haars und seiner Augen wirkte stumpf. Feine Fältchen hatten sich um seine Augen zusammengezogen, und sein Gesicht war hager, wie ausgehöhlt. Sein Haar begann sich an den Schläfen zu lichten.
    Er schien ihre Gedanken zu lesen. »Ich weiß. Ich seh ganz schön runtergekommen aus, nicht? Ich hab in letzter Zeit so ziemlich alles vermasselt.«
    Er nahm eine Packung Zigaretten aus seiner Tasche und hielt sie ihr hin. Sie schüttelte den Kopf.
    »Ich habe aufgehört. Ich krieg nur Husten davon.«
    »Ich versuch gerade, mir den Alkohol abzugewöhnen. Der Arzt hat gesagt, daß sonst meine Leber nicht mehr mitmacht – da kann ich das Rauchen nicht auch noch aufgeben.« Er zündete sich eine Zigarette an. »Das wäre ein zu karges Leben.«
    Sie sagte mißtrauisch: »Was willst du, Francis?«
    »Ich wollte nur mal sehen, wie es dir geht.«
    »Gut. Es geht mir prima.«
    Er ging zu der Bank neben der Bushaltestelle. Sie fragte sich, was er diesmal wollte: Vergebung oder Absolution? Oder – sie musterte seinen schäbigen Regenmantel, die abgetretenen Schuhe – ein kleines Darlehen vielleicht?
    »Wie geht es Evelyn?«
    Er setzte sich neben sie auf die Bank und antwortete langsam: »Ach, Evelyn.« Er blies ein schmales Rauchfähnchen in die Luft. »Wir hätten doch tatsächlich beinahe geheiratet.«
    »Gratuliere«, sagte sie sarkastisch.
    »Zum Glück hat sie in letzter Minute gekniffen.«
    »Und dich am Altar stehengelassen?«
    Francis sah sie an. »Nein, im Pub, mit einem sehr großen Whisky. Und ein paar Schnäpsen. Ich habe drei Tage glatt verloren, Robin. Ziemlich beängstigend. Dann hat Theo mir was bei der BBC verschafft – im Feuilleton, Kunstausstellungen und Konzerte und so. Ich dachte, jetzt würde alles wieder klarkommen, aber ich hab's versaut. Total versaut.«
    Seine Hand zitterte leicht, als er die Zigarette zum Mund führte. Robin sagte leise: »Du hast getrunken?«
    Francis nickte. »Ich bin einmal zu oft angesäuselt zur Arbeit gekommen. Die nehmen es in solchen Dingen sehr genau bei der BBC. Die mögen es nicht, wenn ihre Sprecher

Weitere Kostenlose Bücher