Das Winterhaus
wird vielleicht eine Weile dauern, aber irgendwann hab ich meine eigene kleine Werkstatt, warten Sie nur.«
Im Februar 1937 leitete die aufständische nationalistische Armee eine schwere Offensive im Jarama-Tal ein, deren Ziel es war, die Straße Madrid–Valencia zu erobern und so die Hauptstadt zu umklammern. Der Jarama durchfloß im Südosten von Madrid eine hügelige Landschaft, in der Oliven und Wein angebaut wurden.
Als seine Einheit von Albacete zur Front aufbrach, war Hugh sich bewußt, daß er einen Anflug von Bronchitis hatte. Er hatte seit seinem achtzehnten Lebensjahr jeden Winter eine Bronchitis gehabt. Daisy regte sich jedesmal auf, aber er hatte sich stets gut erholt. Die Beschwerden beschränkten sich im allgemeinen auf ein, zwei Wochen pfeifenden Atem und ein paar unangenehme Nächte, wenn er Fieberträume hatte.
Einer der Männer meinte, er solle ins Krankenhaus gehen und sich auskurieren, aber das tat er Eddie Fletchers wegen nicht. Eddie klebte wie eine Klette an Hugh. Er brauchte Hughs ruhige Zuversicht zur Beruhigung seiner Ängste und Hughs freundliche Ermunterungen, um den Tag zu überstehen. Er war nicht zum Soldaten geschaffen, und wäre Eddie ein Schüler an seiner Schule in Cambridge gewesen, so hätte Hugh sich irgendeinen Grund einfallen lassen, um den Jungen von der Offiziersausbildung und vom Sport zu befreien.
Doch dies war der Krieg, und Eddie hatte sich, genau wie Hugh, verpflichtet, auf seiten der spanischen republikanischen Armee zu kämpfen. Als sie in die Lastwagen kletterten, die sie an die Front bringen sollten, war Eddie bleich und schlotterte vor Angst. »Ich habe das letzte Stückchen Schokolade aufgehoben«, sagte Hugh, als er dem Jungen die Hand bot, um ihm auf den Lastwagen zu helfen. Er dachte daran, daß er nur ungefähr ein Jahr älter als Eddie Fletcher gewesen war, als er nach Flandern gezogen war. Jetzt konnte er sich kaum der Erregung, Angst und Ungeduld erinnern, die er empfunden hatte, als er das Schiff nach Frankreich bestiegen hatte. Mit einem Anflug von Furcht fragte er sich, ob das, was ihm bevorstand, alles wiederaufleben lassen würde – die Alpträume, die Halluzinationen, das Gefühl endlosen, immerwährenden Schreckens und Entsetzens –, aber dann sah er sich in dem Lastwagen um und wußte, daß das nicht geschehen würde. Er würde nicht zusammenbrechen, weil diese Männer von ihm abhingen und sich auf ihn verließen. Er würde nicht zusammenbrechen, weil er Maia gekannt und sie ihn eine Zeitlang geliebt und ihn das verändert hatte.
Während der Wagen rumpelnd durch die Nacht ratterte und die meisten der Männer einnickten, dachte er an Maia. Er glaubte nach langer, gründlicher Überlegung nicht, daß sie ihn und seine Familie wirklich verachtete. Sie hatte diese grausamen Dinge gesagt, weil etwas Zerstörerisches in ihr war, das Hugh als ein Stück Gepäck aus ihrer Vergangenheit erkannte. Sie hatte ihn letztlich doch nicht heiraten wollen, aber er konnte ihr das nicht übelnehmen, weil er sich ihrer nie würdig gefunden hatte. Maia besaß ein kaltes Feuer, ein Zielbewußtsein, eine Dynamik, die Hugh immer fasziniert hatten. Sie besaß in überströmender Fülle die Leidenschaft und die Energie, die er vor Jahren auf den Schlachtfeldern von Flandern verloren hatte. Er hatte im Grunde seit seinem achtzehnten Lebensjahr keine Überzeugungen mehr, es sei denn, es zählte das dauernde, nagende Gefühl, daß es auf der Welt zuviel Ungerechtigkeit gab. Maia besaß den klaren Blick, der ihm geraubt worden war, und neben ihr hatte er sich stets ohne Substanz gefühlt, ein Schatten nur. Sie hatte ihn eine Zeitlang gebraucht, und jetzt brauchte sie ihn nicht mehr. Hugh fand das weder verwunderlich noch verwerflich. Gewiß hatte es ihn verletzt, tief verletzt, aber er wußte, daß die Zeit mit ihr zusammen ein Privileg gewesen war, kein selbstverständliches Recht.
Er nahm die Fotografie aus seiner Innentasche und betrachtete sie. Neben ihm sagte Eddie: »Ist das dein Mädchen?«
»Das ist meine Schwester –«, Hugh zeigte auf Robin, »– und das ist Maia, eine Freundin. Eine sehr liebe Freundin.« Richard Summerhayes hatte die Aufnahme vor Jahren gemacht: Robin und Maia vor dem Winterhaus, rechts und links von ihnen Joe und er selbst. Eddie schnaufte durch die Nase und sagte: »Tolle Puppe.«
Hugh lächelte und steckte den Schnappschuß wieder ein. Dann schloß er die Augen, setzte sich sehr aufrecht, um möglichst nicht husten zu müssen, und
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