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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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versuchte zu schlafen.
    Mit dem Morgengrauen kam der Wind und blies eiskalt in den Lastwagen hinein, der hinten offen war. Als Hugh hustete, tat ihm auf einer Seite die Brust weh. Er drückte fest die Faust auf die Stelle und sagte sich, es sei nichts weiter als Seitenstechen. Unter den Wolken, die die aufgehende Sonne verbargen, lag das Jarama-Tal wie eine lange perlgraue Mulde. Er hatte weit Schlimmeres durchgestanden als das hier, sagte sich Hugh. Bei Arras war er stundenlang marschiert, einen verwundeten Schulkameraden in den Armen, den er halb getragen, halb gezogen hatte, und hatte erst am Verbandsplatz gemerkt, daß sein Freund tot war. Nie zuvor hatte er gewagt, sich dieser Erinnerung zu stellen, doch jetzt schien sie seltsamerweise die Macht verloren zu haben, ihn in Angst zu versetzen.
    Er sah Eddie an. »Jetzt sind wir fast da, mein Junge«, sagte er ermutigend. In der Ferne konnte er den hellen Schimmer erkennen, der der Fluß sein mußte. Er blitzte auf, als kurz die Sonne hinter den Wolken hervorkam.
    An der Front angelangt, nahmen sie ihre Stellungen ein und hoben einen Graben aus. Reif lag noch auf den Olivenbäumen an den Hängen. In der kurzen Ruhepause, nachdem die Gräben ausgehoben waren und bevor der Feind das Feuer wiederaufnahm, rastete Hugh und zündete seine Pfeife an. Der Schmerz in seiner Brust hatte nicht nachgelassen. Jeder Atemzug tat ihm weh, Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn und seiner Oberlippe. Er wußte, daß das kein Seitenstechen war. Er war krank, ernstlich krank, und ein großer Ärger überkam ihn, daß seine gesundheitliche Schwäche seinen ersten Versuch, etwas zu tun, was wirklich der Mühe wert war, zu vereiteln drohte. Dann schallte von der anderen Seite des Tals Maschinengewehrfeuer herüber wie der Trommelwirbel zu Beginn einer Ouvertüre, und es ging los.
    Adam blieb eine Woche in Thorpe Fen. Einmal gingen er und Helen mit Michael im Kinderwagen spazieren. Sie schoben den Wagen holpernd über den gefrorenen Morast der Wege und klappten die Plane zurück, damit Michael lachend nach den Weidenkätzchen grapschen konnte. Helen stellte sich vor, sie, Adam und Michael wären eine Familie, die ihren Sonntagsspaziergang machte. Beinahe hätte sie Adam gestanden, daß sie hoffte, Michael eines Tages adoptieren zu können, aber dann ließ sie es doch lieber. Die Randalls waren immerhin Adams älteste Freunde. Keinesfalls wollte sie den Eindruck erwecken, daß sie sich über Susan Randalls schlechten gesundheitlichen Zustand freute. Das hätte ihn bestimmt abgestoßen.
    Im Dorf mied sie Adam. Sie hatte immer noch das Gefühl, daß man sie beobachtete und über sie tuschelte. Und so leicht konnten diese Tuscheleien, wenn man ihnen Nahrung bot, ihrem Vater zu Ohren kommen. Die Augen der Beobachter waren kritisch und zerstörerisch. Dennoch wusch sie ihr langes Haar und bürstete es, bis es glänzte, reinigte und bügelte ihr bestes Kleid und stopfte die Löcher in ihren Strümpfen.
    Am Tag von Adams Abreise ging Helen um neun Uhr morgens zu seinem Haus. In Mantel und Mütze, den Rucksack neben sich auf der Stufe, war er gerade dabei, die Haustür zu schließen.
    »Ich begleite Sie zum Bahnhof, Adam«, sagte Helen.
    Er drehte sich nach ihr um. Sie zeigte ihm ihren Korb.
    »Ich habe Daddy gesagt, ich würde einen Tag früher die Besorgungen machen, damit ich morgen das Wohnzimmer gründlich putzen kann.« Helen lächelte, erfreut über ihre Durchtriebenheit.
    Sie gingen zusammen die Dorfstraße hinunter. Die Bushaltestelle war jenseits der kurzen Reihe heruntergekommener Katen, die in der Senke des Dorfs standen.
    Das letzte Haus war jetzt nicht mehr bewohnbar. Das Riedgras, mit dem alle vier Häuser gedeckt waren, hatte sich dunkel verfärbt und fiel in schweren, feuchten Garben von dem Häuschen, das einmal Jack Titchmarsh gehört hatte. Spinnweben verklebten die Scheiben der schiefen Fenster, und in der offenen Haustür hatten sich Blätterhaufen gesammelt, die in der Feuchtigkeit langsam verfaulten. Mörtelbrocken waren von den Wänden herab ins Gras gefallen, und darunter zeigten sich wie gebrechliche Gebeine die hölzernen Rippen. Als Helen die Hand ausstreckte und die Mauer berührte, wurden ihre Finger schwarz vom Schimmel, der den feuchten Mörtel überzog.
    »Die Freres lassen einfach alles verkommen«, sagte Adam zornig.
    »Diesmal dürfen Sie nicht wieder zwei Jahre wegbleiben, Adam. Sonst wird Thorpe Fen im Moor versunken sein, und nur der Kirchturm schaut noch

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