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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Haus meiner Mutter eingeladen sind. Du mußt es vergessen haben, Darling.« Er drückte ihr vielsagend die Hand. »Der Wagen steht draußen«, fügte er hinzu. »Hast du schon gepackt?«
    Sie zögerte nur einen Moment. Sie konnte weiterhin ein ordentliches und langweiliges Leben führen, in dem sie sich ihrer ehrenamtlichen Arbeit widmete oder allein in ihrem Zimmer herumsaß, oder sie konnte in die exotische und unberechenbare Welt eintauchen, in der Francis Gifford lebte.
    Sie lächelte. »Ich brauch fünf Minuten, in Ordnung, Francis?«
    Eine Viertelstunde später standen sie draußen vor dem Navigator in der Duckett Street und warteten auf Joe. Robins Reisetasche war vollgestopft mit zerknitterten Kleidern, Strümpfen und Pullis. Das Automobil hatte sie noch nie gesehen – es gehörte einem Freund, erklärte Francis. Es war alt, mit offenem Verdeck, und einer der Kotflügel war locker und klapperte beim Fahren.
    Draußen, vor dem Pub, drückte Francis auf die Hupe. Joe tauchte aus der Finsternis auf, warf eine Tasche in den Kofferraum des Wagens und quetschte sich auf den engen Rücksitz.
    »Laß den Krach und fahr los!«
    Sie brausten mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch London. Erst als sie draußen in den Vororten waren, gelang es Robin, sich trotz Motorengeheul und Verkehrslärm Gehör zu verschaffen. »Fahren wir wirklich ins Haus deiner Mutter, Francis?«
    Er nickte. »Vivien hat mir heute morgen ein Telegramm geschickt. Wir haben uns seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.« Seine hellgrauen Augen blitzten erwartungsfroh.
    »Aber ist das denn in Ordnung – ich meine –, daß Joe und ich mitkommen?«
    Er sah sie an und lächelte. »Aber natürlich. Vivien findet Joe ganz fabelhaft, und dich wird sie genauso fabelhaft finden. Je mehr, desto lustiger. Sie liebt es, wenn die alte Bude so richtig voll ist.«
    Sie fuhren weiter über Land. Seitlich, in den Rücksitz gezwängt, schlief Joe. Bald wich der trübe Schein der Straßenlaternen dem Glitzern der Sterne an einem frostigen Himmel.
    »Wo sind wir eigentlich?«
    »In Suffolk«, antwortete Francis. »Gleich sind wir da.«
    Ein blasser Halbmond war aufgegangen. Zunächst sah Robin das Haus nur als lichte Silhouette; Kamine, Zinnen, Wasserspeier und Aussichtstürmchen hoben sich hell vom schwarzen Himmel ab. Sie las den Namen des Hauses, als sie durch das Tor fuhren: Long Ferry Hall .
    Als sie etwas später aus dem Wagen stieg und zum Haus hinaufblickte, war sie nervös. »Bist du sicher, daß Mrs. Gifford nichts dagegen hat?« flüsterte sie Joe zu. Sie stellte sich einen grimmigen alten Drachen mit Monokel vor.
    Joe schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt nicht. Aber Francis' Mutter ist nicht mehr Mrs. Gifford. Sie war Mrs. Collins und ist jetzt irgendwas anderes, aber ich kann mich an den Namen nicht mehr erinnern. Am besten nennst du sie einfach Vivien – ich tu das auch. Das ist einfacher, als sich die Namen ihrer diversen Ehemänner zu merken.«
    Francis ging ihr voraus durch den Hof zur Haustür. Die Steine waren verwittert und bröckelten an vielen Stellen, und in den Ritzen wucherte Unkraut. Francis läutete, und sie wurden in die Eingangshalle geführt: Eine hohe Decke, mit verblichenen Wappenschilden geschmückt, die Wände mit dunklem Holz getäfelt.
    Eine Frau trat aus der Düsternis. Sie war keineswegs ein alter Drachen, sondern groß und schlank und blauäugig, und ihr Haar war so hell wie das von Francis.
    »Francis! Darling!« rief sie und umarmte ihren Sohn.
    Während Robin sich abmühte, ihr einziges anständiges Abendkleid mit einem uralten Eisen zu plätten, versuchte sie, sich Francis als kleinen Jungen in diesem Haus vorzustellen. Böden und Decken waren schief, schmale Treppen öffneten sich an unerwarteten Orten, und die Fenster waren dunkel und verstaubt. Was für ein herrliches Haus, dachte sie, um Verstecken zu spielen.
    Das Kleid, ein rötliches Braun mit Stickereien in Terrakotta und Gold, das Persia ihr genäht hatte, war endlich so glatt, wie sie es mit diesem Eisen nicht noch besser bekommen würde. Robin zog es über und hoffte, die Laufmasche in ihrem Strumpf würde nicht zu sehen sein. Es gab keinen Spiegel in dem kleinen Zimmer, das zum größten Teil von einem hohen und unbequemen Himmelbett eingenommen wurde. In der Ferne tönte ein Gong; Robin zog sich hastig einen Kamm durchs Haar und kramte einen Lippenstift aus ihrer Handtasche. Dann machte sie sich auf die Suche nach dem Speisezimmer.
    Alle saßen schon bei der

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