Das Winterhaus
Suppe, als Robin eintraf. Sie entschuldigte sich bei Vivien.
»Machen Sie sich deswegen keine Gedanken, Kind. Angus – schenk diesem armen Geschöpf doch mal ein Glas Wein ein. Francis sagt immer, ich sollte alle meine Gäste mit Lageplänen vom Haus ausstatten.«
Vivien machte sie mit den anderen Gästen bekannt. Angus war Colonel bei den Royal Scots Guards gewesen, irgend jemand anderer war Besitzer einer Kette von Autowerkstätten. Es war ein Rennfahrer da und ein Mann mit kalten Augen und Spinnenhänden, der in Kenia eine riesige Farm hatte, und ein Amerikaner, der soeben sein ganzes Geld an der New Yorker Börse verloren hatte. Die Frauen waren alle ziemlich reizlos.
»Achtundzwanzig hab ich's gemacht und neunundzwanzig hab ich's wieder verloren«, sagte der Amerikaner gerade. »Verdammtes Pech.«
»Tja, das ist wirklich nicht lustig, Schätzchen.« Vivien tätschelte ihm teilnahmsvoll die Hand.
Die Suppe war lauwarm und hatte einen ziemlich merkwürdigen Geschmack. Dienstboten schien es keine zu geben; Vivien wählte einfach einen Gast aus, der dann den Wein einschenken oder die Suppe servieren durfte.
»Francis – sei ein Engel und stell die Suppenteller zusammen, ja? Und Joe – du kommst mit mir in die Küche, um zu sehen, ob unser Fasan schon fertig ist.«
Francis stapelte die Suppenteller; Joe, der einen uralten, raschelnden Smoking anhatte, verschwand im Labyrinth von Gängen hinter dem Speisezimmer.
»Das kann Stunden dauern«, sagte Angus pessimistisch zu Robin. »Die Küche ist meilenweit weg.«
»Die Köchin ist eine Quartalssäuferin, wie ich gehört habe«, bemerkte der Mann mit den kalten Augen. »Weiß der Himmel, was in dieser Suppe war.«
»Es ist heutzutage so schwierig, gute Dienstboten zu bekommen. Die arme Vivi schlägt sich wirklich tapfer.«
Francis, der in der riesigen Kredenz nach Tellern suchte, sagte: »Der Fasan wird bestimmt süperb. Vivien hat sie vor einer Woche geschossen.«
Die Fasane, sechs an der Zahl, mit ihren prächtigen Schweiffedern geschmückt und mit Schinken und Schalotten garniert, waren in der Tat köstlich. Robin merkte plötzlich, daß sie ganz ausgehungert war: Bei den Damen Turner gab es doch recht häufig Kohl und Kartoffeln zum Abendessen.
Francis unterhielt sich mit Vivien.
»Wir haben in den letzten zwei Monaten wahnsinnig viel zu tun gehabt – ich habe die erste Ausgabe der Zeitschrift herausgebracht, und wir hatten massenhaft Aufträge für die Presse.«
Der Amerikaner lachte trocken. »Genießen Sie es, Mr. Gifford. Die guten Zeiten werden nicht anhalten.«
Ohne auf ihn zu achten, wandte sich Francis wieder seiner Mutter zu. »Joe hat die ganze Presse dreimal auseinandergenommen, Vivien. Und jedesmal war ich überzeugt davon, daß er sie nicht wieder zusammenbekommen würde.«
»So ein cleverer Junge – du mußt mir meinen Herd reparieren, Joe. Die Köchin sagt, er zieht nicht richtig.«
»Ich habe schon einige gute Reaktionen auf Kaos bekommen. Ein Bekannter, der für den Listener arbeitet, meinte, die Zeitschrift hätte Potential.«
Der Mund des Amerikaners kräuselte sich zu einem spöttischen Lächeln. »Ich an Ihrer Stelle würde die Zeitschrift vergessen, Mr. Gifford. Suchen Sie sich eine sichere Stellung, solange noch Zeit ist.«
»Eine sichere Stellung …«, wiederholte Francis langsam. »Oh, das klingt einfach tödlich, finden Sie nicht? Nein, dann lieber nur eine einzige große Tat vollbringen … Etwas, das nicht vergessen wird: Ich würde glücklich sterben, wenn ich das schaffen würde.«
»Darling!« Vivien berührte Francis' Hand. »Der Tod ist doch kein Thema zum Abendessen.«
»Erfreut sich aber in New York augenblicklich schrecklicher Beliebtheit, Madam. Die reichen Männer von gestern stürzen sich aus den Fenstern der Wolkenkratzer, weil sie wissen, daß sie morgen ihre Familien nicht mehr ernähren können. Das wird auch hier geschehen, Mr. Gifford. Die britische Wirtschaft ist mit der der Vereinigten Staaten eng verflochten.«
Danach trat ein kurzes Schweigen ein. Robin fröstelte. Trotz des lodernden Feuers blies ein kalter Zug aus dem riesigen offenen Kamin.
Vivien sagte: »Wir sollten eine lange Urlaubsreise zusammen machen, Francis, Darling. Irgendwohin ins Ausland. Wo es heiß ist.« Francis küßte seiner Mutter die Hand. »Nach Italien. Mit all den Palazzi und Gondeln.«
»Und Faschisten.« Robin konnte es sich nicht verkneifen. »Das ist doch nicht dein Ernst, Francis.«
»Natürlich nicht. Dann
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