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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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eben Spanien. Eine zerfallende Monarchie, anständiges Wetter und tolle Strände.«
    Der Fasan war aufgegessen. Vivien stand wieder auf; Francis und zwei andere junge Männer begannen herumzulaufen, um Teller und Besteck einzusammeln.
    Robins Nachbar sagte: »Sie haben also für den Faschismus nichts übrig, Miss Summerhayes?«
    Wären nicht seine Augen gewesen, hätte man ihn vielleicht als gutaussehend bezeichnen können, dachte sie.
    »Gar nichts, nein.«
    »Bewundern Sie denn nicht Ordnung – und Anstand – und Vaterlandsliebe?«
    »Aber ja, natürlich. Ich bewundere aber ebenso Toleranz und Freiheit, Mister …?«
    »Farr. Denzil Farr. ›Toleranz und Freiheit‹ – das sind so schwammige Worte, Miss Summerhayes. Meiner Erfahrung gemäß kann aus Toleranz und Freiheit so leicht Entartung und Weibischkeit werden.«
    »Meinen Sie?« Sie fand ihn grauenvoll. »Meiner Meinung nach wäre die Welt ohne sie unzivilisiert.«
    Denzil Farr hatte sich eine Zigarre angezündet, obwohl der Nachtisch noch nicht aufgetragen war. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und blies aus schmallippigem Mund eine Rauchwolke in die Luft.
    »Ich frage mich, ob Sie das immer noch glauben werden, Miss Summerhayes, wenn Sie nicht mehr durch die Straßen gehen können, ohne Angst haben zu müssen, von irgendeinem Bettler oder Schurken belästigt zu werden; wenn Ihr Leben und Ihre Zukunft von den Launen eines jüdischen Wucherers abhängen, dem Sie Geld schulden; wenn das reine Blut Ihres Vaterlands durch das Blut Entarteter verwässert wird.«
    Sie suchte krampfhaft nach einer Antwort, als Vivien sagte: »Hör auf, Miss Summerhayes zu necken, Denzil. Wer möchte jetzt Soufflé?«
    Als in den frühen Morgenstunden nur noch eine Handvoll Gäste wach war, flüsterte Francis Robin zu: »Komm, ich zeige dir das Haus, Darling. Wir machen den Großen Rundgang. Der ist bei Kerzenlicht soviel eindrucksvoller.«
    Sie stand auf und folgte Francis aus dem Zimmer. Im flackernden Licht der Kerze, die er hielt, entstanden auf Boden und Wänden bizarre Schatten.
    »Die Haupttreppe.« Er hatte in der großen Eingangshalle kaltgemacht. Holzgeschnitzte Drachen hockten auf den Treppenpfosten. Schwarze Schatten kauerten in dunklen Ecken. Francis ging ihr voraus die Treppe hinauf. »Ist dir kalt, Robin? Nimm mein Jackett.«
    Francis blieb auf dem Treppenabsatz stehen und blickte durch das Fenster hinaus. Er legte ihr seine Smokingjacke um die Schultern. »Es sieht nach Schnee aus«, sagte er. »Schau – die Sterne sind weg.« Sie rieb eine Stelle der staubigen Scheibe blank.
    »Von der Galerie aus kann man das Meer sehen.«
    »Das Meer?«
    »Wir sind nur anderthalb Kilometer von der Küste entfernt. Früher hatte ich ein Boot.«
    Robin hakte sich bei ihm ein. Sie sagte, sich ihrer früheren Gedanken erinnernd: »Es muß herrlich gewesen sein, hier aufzuwachsen. Wie – wie in einem Zauberschloß.«
    Francis' Antwort überraschte sie. »Ich habe eigentlich nie hier gelebt. Vivien hat sich das Haus erst zugelegt, als ich zwölf war, und da war ich natürlich schon im Internat.«
    »Aber in den Ferien –«
    »Manchmal. Aber nie lange. Vivien reist gern. Ich hab die Ferien ein paarmal bei Joe verbracht und seinen fürchterlich grimmigen Vater ausgehalten.«
    »Oh.« Sie eilten durch Zimmer und Gänge, wobei Francis hier und dort Türen öffnete, um Robin in getäfelte Zimmer hineinsehen zu lassen.
    »Joe versteht sich nicht mit seinem Vater, nicht wahr?«
    Francis lachte leise. »Die Untertreibung des Jahres, liebste Robin. Die beiden können sich nicht ausstehen. Elliot père ist der rauhbeinige nordische Typ – du weißt schon, dreht Karnickeln mit eigener Hand den Kragen um, nur zum Spaß, und hält jeden, der ein Buch liest, für einen Weichling. Aber Geld hat er wie Heu. Schau, Robin – hier ist unser Pfaffenloch.«
    Sie blickte in die Finsternis. Ein Paneel öffnete sich knarrend, und eine Flucht schmaler Steinstufen führte in schwarze Dunkelheit hinunter.
    »Schrecklich, nicht? Ganze Familien haben sich da früher versteckt. Ich persönlich würde lieber widerrufen.« Er schob das Paneel wieder zu, und sie gingen weiter.
    Sie kamen zu einer anderen Treppe, die sich mit schmalen, schiefgetretenen Stufen aufwärtswand. Vorsichtig prüfte Francis die unterste Stufe.
    »In Long Ferry gibt's Fäule und Schwamm und Ungeziefer. Da muß man vorsichtig sein. Aber ich glaube, es ist in Ordnung, Robin. Nimm du die Kerze, ich geh hinter dir her. Ich fang dich

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