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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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wird.«
    »Warum gibst du dich dann überhaupt noch mit ihnen ab?«
    Sie zauste ihm das blonde Haar. Welch ein Glück, hatte sie stets gedacht, daß ihr einziges Kind sowohl Charme als auch Schönheit mitbekommen hatte. Ihr schauderte, wenn sie daran dachte, was für Sprößlinge einige ihrer Liebhaber vielleicht gezeugt hätten.
    »Man braucht Freunde«, sagte sie. »Das weißt du doch, Francis.«
    Er sah sie an, aber sie zuckte nur die Achseln.
    »Angus und Thomas sind wahnsinnig langweilig«, sagte Francis, »und Denzil, wie immer er auch heißt, ist ein Schwein.«
    Vivien trank ihren Kaffee und antwortete nicht. Sie war gar nicht anderer Meinung als Francis, aber Denzil Farr war eben ungeheuer reich, und es konnte einen schon mit seinen Mängeln, sowohl im Bett als auch außerhalb, aussöhnen.
    Francis sagte zögernd: »Ich bin im Moment ein bißchen knapp bei Kasse, Vivien. Meinst du, du könntest mir …« Er schwieg und warf die Orangenschale in den Papierkorb.
    Sie lachte ein wenig. »Aber ich dachte, dir ginge es im Moment so gut, Darling.«
    »Das stimmt schon, aber ich habe unheimlich hohe Ausgaben. Die Londoner Mieten – und es hat einen Haufen Geld gekostet, die Zeitschrift erst mal zu starten.«
    »Sprich mir nicht von Ausgaben!« rief Vivien. Sie hatte Kopfschmerzen und nur eine ziemlich verschwommene Erinnerung an die Ereignisse des vergangenen Abends. »Dieses Haus verschlingt das Geld förmlich. Das ganze Dach müßte erneuert werden … und der Schwamm in den Küchenschränken … wie Kohlköpfe!«
    »Ja, aber – wenn du mir vielleicht trotzdem ein oder zwei Shilling leihen könntest. Nicht für lange. Nur zur Überbrückung …«
    Vivien hatte ein Talent dafür, Geld auszugeben, und ein Talent dafür, es zu erwerben. Doch wenn sie in letzter Zeit ungeschminkt in den Spiegel sah, war ihr klar, daß sie sich ernsthafter bemühen mußte, an dem festzuhalten, was sie hatte.
    Sie drückte deshalb sein Knie und sagte: »Tut mir aufrichtig leid, Darling, aber ich habe keinen Penny. Furchtbar lästig.«
    Francis zuckte die Achseln, dann sah er sie lächelnd an. »Macht nichts. Ich komme schon zurecht. Aber nach Spanien fahren wir, nicht wahr?«
    Vivien sah ihn verwirrt an.
    »In Urlaub – nur wir beide. Du hast doch gesagt …«
    Sie hatte keine Ahnung, wovon er sprach. »Spanien? Ich glaube nicht. Wie kommst du denn auf die Idee?«
    Sie sah Zorn und Verletztheit in seinem Blick. Francis hatte die Neigung seines Vaters, eines wohlhabenden, aber nervenaufreibenden Menschen, zu plötzlichen Stimmungswechseln geerbt. Vivien selbst war niemals launisch.
    »Schenk mir doch noch einen Tropfen Kaffee ein, Darling.« Sie lächelte strahlend. Sie konnte brummige Leute nicht aushalten. Sie hatte häufig den Eindruck, daß sie übermäßig viel Zeit und Mühe darauf verwendete, ihre Freunde und Verwandten aufzumuntern.
    Joe und Robin machten einen langen Spaziergang an einem grauen, kiesigen Strand. Der Wind peitschte das Meer zu schäumenden weißen Wellen auf, und Möwen kreisten über ihnen. Joe warf Steine ins Wasser, und Robin sammelte Muscheln am Strand.
    Als sie gegen Mittag zu Viviens Haus zurückfuhren, hatte es aufgeklart. Auf den Mähnen der alten steinernen Löwen, die das Tor von Long Ferry Hall überwachten, lag immer noch eine dünne Schneeschicht, aber die Rasenflächen waren stellenweise grün.
    »Da ist Francis«, rief Joe und hupte.
    Francis stand an der Tür. Joe hielt den Wagen vor dem Haus an.
    »Wo seid ihr gewesen?« fragte Francis. Er sah müde aus und als fröre er. »Ich warte seit Stunden.«
    »Robin wollte das Meer sehen.« Francis' Reisetasche stand an der Tür. »Fahren wir ab?«
    Francis nickte. »Viel zu kalt. Und zu essen ist auch nichts da.«
    Robin sagte: »Aber deine Mutter, Francis …?«
    Er drehte sich um und sah sie an. Seine Augen waren trübe. »Vivien fährt nach Schottland. Mit diesem Farr. Diesem Faschisten.«
    »Oh.« Robin hatte den Eindruck, daß der Tag, der so verheißungsvoll angefangen hatte, ihr unter den Fingern zerrann und zerschmolz wie Schnee. »Dann gehe ich schnell rauf und packe.«
    Francis fuhr nach London zurück. Joe saß vorn neben ihm. Robin rollte sich in die Decke eingehüllt auf dem Rücksitz zusammen. Keiner sprach viel.
    Halbwegs zu Hause, entdeckte sie, als sie ihre eiskalten Hände tiefer in die Manteltaschen schob, unter den Muscheln und dem Sand Helens Brief. Es war merkwürdig tröstlich, vom Erntefest und dem Herbstbasar zu lesen.

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