Das Winterhaus
daß ich an so was nicht glaube.« Doch zugleich hörte sie Francis' Stimme: ›Könntest du mich ein kleines bißchen lieben, Robin?‹
»Liebe ist nicht etwas, an das man glaubt – wie an Geister oder an Wunderheilungen«, erwiderte Hugh ruhig. »Sie ist einfach – da.«
Rastlos stand sie auf und sah durch das Fenster zum Fluß hinaus.
»Und du, Hugh? Hast du schon mal jemanden geliebt?«
Er sagte leichthin: »Wohin sollte meine Liebe wohl fallen, Robin? Auf die Enten – die Aale – die Fische im Fluß?«
Sie lachte wieder und blickte, ihr Kinn in die Hände gestützt, ins Grau hinaus. Langsam schälte sich aus Nebel und Feuchtigkeit eine Gestalt.
»Helen!« rief Robin.
Helen wurde mit Umarmungen und Küssen empfangen. »Daisy hat mir gesagt, daß du kommst, Robin, da hab ich Daddys altes Fahrrad genommen und bin hergeradelt.« Helens honigblondes Haar war feucht vom Nebel. Sie trug eine Schottenmütze. »Es ist herrlich, dich zu sehen – genau wie früher.«
»Du hast uns seit Wochen nicht mehr besucht, Helen«, beschwerte sich Hugh.
Helen machte ein schuldbewußtes Gesicht. »Daddy hat sich nicht wohl gefühlt, und ich habe viel geschneidert. Ich habe ein paar kleine Aufträge angenommen, um etwas zu tun zu haben. Ich dachte … ich meine, ich nähe ja gern … und da wir hier so weit von allen Geschäften entfernt sind, hab ich mir gedacht, daß einige der Frauen hier …«
»Du ziehst bestimmt bald nach Paris.«
Helen errötete. »Wäre das nicht toll? Weißt du, ich war einfach ein bißchen niedergeschlagen, und da hab ich Daddy gesagt, ich würde mir eine Stelle in einer der Schneiderwerkstätten in Cambridge oder Ely suchen, aber Daddy meinte, das wäre unmöglich, für Leute wie uns käme so was nicht in Frage. Na ja, da hab ich überlegt und hab mir gedacht, warum eigentlich nicht von zu Hause aus arbeiten, als selbständige Schneiderin. Und Daddy meinte, das wäre viel passender.«
Robin wollte etwas sagen, doch Hugh unterbrach sie. »Das ist ja wirklich großartig. Du wirst bestimmt Riesenerfolg haben.«
Helen strahlte. »Sag mal, hast du Maia mal besucht, Robin … Hugh …?«
»Ma hat sie zum Tee eingeladen, bevor ich krank wurde, aber sie konnte nicht kommen.«
»Ich hatte nämlich den Eindruck, daß sie ziemlich unglücklich ist.« Robin starrte Helen an. »Unglücklich? Maia? In diesem gräßlichen Haus mit ihrem gräßlichen Ehemann? Helen – Maia ist im siebten Himmel!«
Helen machte ein bedrücktes Gesicht. »Hm – vielleicht. Aber ich hab sie besucht, als Daddy und ich vor ein paar Wochen in Cambridge waren, und sie hat – sie hat ganz verändert ausgesehen. Du weißt doch, wie sie manchmal aussehen kann. So hart … so glanzvoll irgendwie.«
Hugh sagte: »Maia kann nur glanzvoll aussehen, Helen, Schatz. Die ist so geschaffen.«
Robin erinnerte sich an den Nachmittag, als sie Maia das letztemal gesehen hatte, erinnerte sich an dieses gigantische, häßliche, pseudoaristokratische Haus; an Maias eingebildet wirkenden, füchsisch aussehenden Ehemann, der keinen Zweifel daran gelassen hatte, daß die Freundinnen seiner Frau ihm nicht wichtig genug waren, um mit ihnen zu sprechen; an Maias prahlerische Freude und ihren neuen Status.
Hugh zog das Grammophon wieder auf. Robin vergaß Maia, packte Helen und begann sie im Winterhaus herumzuwirbeln.
»Also, tanzen kannst du wirklich nicht, Rob«, stöhnte Hugh, der ihnen zusah. »Die arme Helen! Halt mal an – darf ich?«
Er nahm Helen in die Arme, und sie begannen zu tanzen. Die Musik füllte die kleine Hütte, und das Licht, das durch die Fenster fiel, beleuchtete den dunklen, von Schilf umstandenen Teich draußen. Doch mitten im Lied wurde Hughs Gesicht plötzlich rot, und er begann zu husten. Im selben Moment öffnete sich die Tür des Winterhauses, und Daisy kam herein.
Sie warf nur einen Blick auf ihren Sohn und befahl ihm, sofort ins Haus zurückzugehen. Dann flüsterte sie Robin zu: »Wie konntest du nur? Ihn bei dieser Feuchtigkeit und Kälte mit hier herauszunehmen – auch noch zuzulassen, daß er tanzt –, wo du doch weißt, wie krank er war …«
Hugh wollte etwas sagen, bekam aber wieder einen Hustenanfall. Helen sah nur bekümmert und erschrocken drein. Robin warf ihrer Mutter einen wütenden Blick zu, dann stürzte sie hinaus, knallte die Tür hinter sich zu und rannte über den dunklen Rasen.
Sie waren immer leicht auf Kollisionskurs geraten, aber in letzter Zeit, dachte Robin, schien sich die Lage
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