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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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zerrinnen würde; daß ihr alle Sicherheit genommen werden würde. Von neuem begann sie zu rechnen und zu planen. Am folgenden Morgen, nachdem sie Warenbestand und Lager der Firma überprüft hatte, knöpfte sie sich Mr. Twentyman in seinem Büro vor.
    Sie sagte: »Sie kaufen zu groß ein, Mr. Twentyman. Sie müssen Ihre Bestellungen reduzieren.«
    Er sah sie an, nichts als Verständnislosigkeit in seinem hübschen Milchgesicht, die hellen Augenbrauen hochgezogen.
    »Unsere Lager sind viel zu groß, Mr. Twentyman.« Maia breitete die Rechnungen auf seinem Schreibtisch aus. »Wäsche … Bodenbeläge … Möbel. Wir kaufen zuviel auf einmal. Wenn wir kleinere Posten kauften, könnten wir Lagerkosten sparen.«
    Er lächelte. »Lassen Sie mich das erklären, Mrs. Merchant. Der Lieferant bietet bei größeren Bestellungen einen höheren Rabatt. So funktioniert das.«
    Maia, die nach der schlaflosen Nacht Kopfschmerzen hatte, war für Gönnerhaftigkeit nicht zu haben. Sie stemmte ihre Hände auf seinen Schreibtisch und beugte sich vor. »Und haben Sie einmal den Rabatt mit dem Zinsverlust unseres Anlagekapitals verglichen? Ist Ihnen klar, daß das Unternehmen, selbst wenn wir die Lagerkosten ausschließen, Geld verliert, wenn es in solchen Mengen einkauft?«
    Sein Lächeln trübte sich nur ein wenig. »Das ist Mr. Underwoods Sache, Mrs. Merchant.«
    »Das ist meine Sache, Mr. Twentyman. Und es ist daher Ihre Sache.«
    Er sagte nichts.
    »Sie werden Ihre Bestellungen um mindestens fünfundzwanzig Prozent reduzieren«, sagte Maia schließlich. »Und Sie werden die Angebote verschiedener Lieferanten einholen.«
    Jetzt war er ganz Ohr. »Aber Madam –«
    »Das ist Wettbewerb, Mr. Twentyman.« Sie kräuselte leicht die Lippen. »So funktioniert das.«
    Er richtete sich steif auf. »Wir haben immer so gearbeitet, Madam.«
    »Und jetzt werden Sie so arbeiten, wie ich es für richtig halte«, entgegnete Maia freundlich. »Bringen Sie mir am Ende der Woche Ihr Auftragsbuch, Mr. Twentyman, damit ich die Zahlen überprüfen kann.«
    Sie sah die Wut auf seinem Gesicht und empfand keinerlei Triumph, nur Niedergeschlagenheit. Wieder hatte sie sich einen Feind geschaffen. Und als sie sich umdrehte und draußen im Flur Liam Kavanagh sah, der sie beobachtet und dem Gespräch zugehört hatte, war sie sich nur einer tiefen Müdigkeit bewußt und einer Vorahnung drohenden Scheiterns.
    »Mr. Kavanagh.« Hocherhobenen Hauptes begegnete Maia seinem Blick.
    »Mrs. Merchant.«
    Als sie den Korridor hinunterging, wurde ihr klar, wie erschöpft sie sein mußte. In Liam Kavanaghs hellen blauen Augen hatte sie Bewunderung zu sehen geglaubt, nicht Zorn. Sie sagte sich, daß sie sich irren mußte.

6
     
    Helen brauchte für ihre Einkäufe länger als gedacht, und der Bus erreichte den Ortsrand von Thorpe Fen erst, als schon der Abend bläuliche Schatten über Felder und Gräben warf. Sie stolperte, als sie vom Trittbrett sprang, zerriß ihren Strumpf und blieb mit ihrem Einkaufsnetz an einem Stein hängen. Als sie sich später auf dem Heimweg umblickte, sah sie, daß sie einen Pfad von Zwiebeln und Steckrüben hinter sich herzog, die durch das Loch im Netz auf die matschige Straße gefallen waren.
    Es war der freie Nachmittag des Mädchens. Als Helen durch die Pforte in den Garten des Pfarrhauses trat, sah sie, daß der Spitzenvorhang am vorderen Fenster sich bewegte.
    »Helen?« Es war die Stimme ihres Vaters. »Du kommst aber spät.«
    »Ich habe den Bus verpaßt, Daddy. Ich mußte eine ganze Stunde warten.«
    Pastor Ferguson trat aus dem düsteren Korridor. Die Dunkelheit vertiefte seine Augenhöhlen und hob die vollen, geschwungenen roten Lippen und die lange, leicht aufgeworfene Nase hervor, Gesichtszüge, die er mit seiner Tochter gemeinsam hatte.
    »Mrs. Lemon ist hier. Sie wollte die Spenden für den Gemeindefonds abholen.«
    Helen schlug sich schuldbewußt mit einer Hand auf den Mund. »Ich bin noch gar nicht mit der Sammlung fertig, Daddy. Ach, du meine Güte.«
    In Wahrheit hatte sie noch nicht einmal damit angefangen. Sie haßte es, als Bittstellerin von Tür zu Tür zu gehen, zumal alles, was mit Geld zu tun hatte, sie ja stets verwirrte.
    »Aber Helen, du darfst deine Pflichten wirklich nicht so vernachlässigen. Und wir warten schon seit einer halben Stunde auf unseren Tee.« Pastor Ferguson zog sich in die Dunkelheit zurück. Als er die Tür zum Wohnzimmer öffnete, hörte Helen ihn sagen: »Sie werden sich leider noch etwas gedulden

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