Das Winterhaus
stehen. Er fluchte leise, dann drückte er sich in eine Tornische und zündete sich eine Zigarette an.
Aber diesmal konnte die Zigarette ihn nicht beruhigen. Er dachte an all die neuen Dinge, die in letzter Zeit in Clodies Haus erschienen waren: die neue Nähmaschine, die Spielsachen für Lizzie, das Parfüm, das sie jetzt immer trug. Und – das Schlimmste – die Kleider und der Schmuck. Das grüne Samtkleid, das ihren schönen Körper so gut zur Geltung brachte; die Perlen an ihren Ohrläppchen. Der neue Mantel, die Seidenstrümpfe, das kecke kleine Hütchen. Sie hatte beiläufig gesagt: »Ich hab in letzter Zeit eine Menge Arbeit, Joe. Für ein Herrenjackett kann man fünf Pfund verlangen«, und die Tatsache, daß sie seine Naivität für so selbstverständlich hielt, hatte seine Eifersucht noch gesteigert. Er mußte Gewißheit haben. Er konnte nicht länger warten. Er warf seine Zigarette zu Boden und trat sie aus. Dann überquerte er die Straße und klopfte laut an die grün gestrichene Tür.
Er mußte volle fünf Minuten warten, bis Clodie ihm öffnete. Sie hatte einen geblümten Kimono an, und ihr Haar war offen.
»Joe«, sagte sie überrascht. »Was machst du denn hier? Es ist spät – fast eins –«
»Aber du hast doch noch nicht geschlafen, nicht wahr, Clodie?«
Sie wich seinem Blick aus. »Doch, natürlich. Ich bin todmüde. Du kannst jetzt nicht reinkommen, Schatz –«
Er drängte sich an ihr vorbei und sah sich rasch im vorderen Zimmer um. Das Feuer glühte noch, und auf dem Tisch standen zwei leere Weingläser.
»Ich hab Lizzie einen Schluck gegeben«, sagte Clodie rasch. »Der Arzt hat gesagt, ein Schluck Wein ist gut für den Magen.«
Wütend drehte er sich herum. »Das Schlimmste an dem ganzen ist – das Schlimmste ist, daß du mich für so verdammt blöd halten mußt –«
Zorn blitzte kurz in ihren Augen auf. Aber dann ging sie zu ihm und streichelte sein Gesicht. »Ich denke überhaupt nicht, daß du blöd bist, Joe. Ich finde dich lieb.«
Er stieß sie weg. »Wo ist er, Clodie?«
»Wer?«
»Ach verdammt …« Er rannte zur Treppe. Er hörte sie rufen: »Du kannst da nicht raufgehen, Joe – du weckst Lizzie auf!« Aber er achtete nicht auf sie, und sobald er oben war, stieß er die Tür zu ihrem Schlafzimmer auf.
Er lag natürlich im Bett. Mittleren Alters, mit schütterem Haar. Sobald er Joe sah, grapschte er nach seiner Hose, die auf dem Boden lag. Wie in irgendeiner gräßlichen französischen Farce, dachte Joe und war beinahe versucht zu lachen. Aber dann dachte er an die endlosen Stunden, die er und Clodie in diesem Bett verbracht hatten, und das Lachen verging ihm.
»Raus hier!« Er stürzte sich auf den Mann auf dem Bett.
»Das ist wirklich nicht nötig.« Clodie packte Joe am Arm und versuchte ihn zurückzuziehen. »Kenneth wollte sowieso gerade gehen, nicht wahr, Kenneth?«
Die Szene geriet wieder zur Farce, als Kenneth hastig Hemd, Socken und Schuhe einsammelte und aus dem Zimmer rannte. Joe hörte ihn die Treppe hinunterlaufen. Wenig später schlug die Haustür zu.
Er sah Clodie an. »Gibt's noch andere?«
Sie schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht, Joe. Ken ist nur ein alter Freund.«
»Du lügst!« schrie er sie an. »Ich habe sie gesehen, Clodie … ich stehe seit Monaten draußen vor deiner verdammten Tür. Ich hab sie gesehen.«
Sie versuchte nicht mehr, ihn zu besänftigen.
»Na und?« zischte sie mit vor Zorn flammenden Augen. »Was geht das dich an?«
Über der Lehne eines der Sessel hing ein Pelzmantel. Er packte ihn und hielt ihn ihr hin. »Hast du's dafür getan?«
Sie entgegnete verächtlich: »Könntest du mir denn so etwas geben? Na los, könntest du, Joe?«
Er ließ den Mantel zu Boden fallen. Clodie hob ihn auf und strich mit liebevoller Hand über ihn hin, ehe sie ihn aufhängte. »Kenny hat mir den Mantel gekauft«, sagte sie. »Und die Ohrringe auch. Und Eric hat Lizzie die schönen Spielsachen gekauft, und er zahlt seit Anfang des Jahres die Arztrechnungen. Albert führt uns nur schick zum Essen aus und nimmt uns zu Ausflügen in seinem Automobil mit.«
Er sagte: »Du hast dich verkauft, Clodie. Hast du vor, Lizzie auch zu verkaufen, wenn sie alt genug ist?«
Sie schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht. »Mach, daß du rauskommst!« zischte sie. »Los, raus!«
Draußen schmeckte Joe das Blut in seinem Mund. Sie hatte ihm mit ihren Ringen die Lippe aufgerissen. Er ging zu Fuß nach Hause, aber die kalte Nachtluft konnte die
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