Das Winterhaus
hatte. »Ich betrachte mein Aussehen als eine von mehreren Waffen in meinem Arsenal – genau wie Sie das auch tun. Es ist eine durchaus nützliche Waffe, und ich wäre dumm, sie nicht zu gebrauchen. Aber bei Ihnen ist das etwas anderes. Sie würden mich nur verachten, nicht wahr?«
Zum erstenmal wirkte er verlegen. »Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich Ihnen den Eindruck vermittelt habe, daß –«
Sie unterbrach ihn. »Oh, Liam, bitte – das ist wirklich nicht nötig. Ich habe Sie nicht hierher eingeladen, um Sie zu verführen, sondern um mit Ihnen über eine Einschränkung unserer Ausgaben und über unsere Werbung zu sprechen. Es geht darum, überschüssige Lagerbestände loszuwerden und unsere laufenden Geschäftskosten zu reduzieren. Klingt das nicht weit interessanter als Verführung?«
Im ersten Moment glaubte sie, er würde aufstehen und gehen. Aber dann schien der Panzer aus Stolz und Abwehr plötzlich von ihm abzufallen, und er lächelte und sagte: »Das ist eine Frage, die ich unmöglich beantworten kann, Mrs. Merchant. Wenn ich Ihnen zustimme, beleidige ich Sie als Frau, und wenn ich nicht zustimme, beleidige ich Sie als meine Chefin.«
Sie sah ihn an und spürte, wie ihr ganzer Körper sich entspannte, und hörte ihr eigenes erheitertes Gelächter. Zum erstenmal kam ihr in den Sinn, daß Liam Kavanagh ein Freund werden könnte, jemand, der die schwere Last, die sie auf sich genommen hatte, mit ihr teilen könnte. Sie sagte leise: »Ich brauche Sie, Liam. Ich brauche Ihre Intelligenz und Ihre Loyalität und Ihre Erfahrung. Und ich brauche Sie, weil Sie ein Mann sind. Ich brauche Sie, weil es Bereiche gibt, von denen ich immer ausgeschlossen sein werde, in denen Sie mich vertreten müssen.«
Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Fahren Sie fort.«
Sie kam ohne Umschweife zur Sache. »Unsere Gewinne sind in den letzten drei Quartalen zurückgegangen.«
»Es ist kein starker Abfall, Mrs. Merchant. Verglichen mit anderen haben wir uns recht gut gehalten.«
»Ich vergleiche die Firma Merchant nicht mit anderen Unternehmen. Das wissen Sie. Ich habe meine eigenen Maßstäbe zur Beurteilung der Firma. Und ich bin sicher, Sie glauben genau wie ich, daß die Lage sich erst einmal verschlechtern wird, ehe sie sich wieder bessert.«
Er neigte zustimmend den Kopf.
»Ich habe einige Vorschläge, Liam.« Sie legte Messer und Gabel zur Seite, alles Interesse am Essen vergessend. »Ich habe die Absicht, die Leihbücherei zu schließen. Das wird mir erlauben, die Elektroabteilung zu erweitern. Und ich werde eine größere Werbekampagne ankurbeln. Wir werden mit einer neuen Agentur zusammenarbeiten.«
»Nicht mit Naylors?« Die Agentur Naylors war seit zehn Jahren für die Werbung der Firma Merchant zuständig.
»Zu bieder, finden Sie nicht auch? Ich möchte etwas Neues, Aufregendes und Raffiniertes. Etwas, das die Leute veranlaßt, näher hinzusehen.«
»Denken Sie an eine bestimmte Agentur?«
»Nein.« Stirnrunzelnd schüttelte Maia den Kopf. »Ich dachte, da können Sie mir vielleicht einige Vorschläge machen. Der Golfklub … das Town and Gown … all die kleinen Restaurants und Pubs und Klubs, wo Männer sich treffen – da wird doch bestimmt über solche Dinge gesprochen.«
Sie merkte immer wieder, wie sehr die Tatsache, daß sie eine Frau war, ihr ihre Aufgabe erschwerte. Wäre sie ein Mann gewesen, hätte sie selbst all die verzweigten, beiläufigen Kontakte knüpfen können, die ihr den Weg geebnet hätten. Ihr als Frau jedoch waren diese Möglichkeiten verschlossen.
»Ich kann mir vorstellen, daß Sie da recht versiert sind, Liam. Ein Mann unter Männern, wenn Sie so wollen.«
Er nahm ihr die Bemerkung nicht übel. Mit den Fingern auf den Tisch trommelnd, sagte er langsam: »Die Leihbücherei zu schließen ist vernünftig – sie wirft kaum Gewinn ab. Aber das heißt, daß wir ein halbes Dutzend Leute entlassen müssen.«
Maia nickte. In den letzten Wochen harter Arbeit hatte sich bei ihr der schreckliche Verdacht verstärkt, daß die Entlassung von lediglich einem halben Dutzend Leuten nicht genug sein würde. Doch sie traute Liam Kavanagh noch nicht so weit, daß sie bereit gewesen wäre, ihn in alles einzuweihen, was ihr vorschwebte. Außerdem scheute in ihr selbst etwas vor dem zurück, was sie wahrscheinlich würde tun müssen. Die Lohnkosten waren hoch und drohten ihre schrumpfenden Gewinne aufzufressen. Maia sagte Liam Kavanagh auch nichts davon, daß sie angefangen hatte,
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