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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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müssen, Mrs. Lemon. Helen hat die Gelder noch nicht beisammen.« Und darauf Mrs. Lemon: »Ach, das macht nichts. Es eilt ja nicht.«
    Helen nahm den Brief, der auf dem Garderobentisch auf sie wartete. Die Stimme ihres Vaters schallte durch den Korridor und folgte ihr in die Küche.
    »Helen mag in der Erfüllung ihrer Pflichten manchmal ein wenig säumig sein, aber ich muß doch sagen, ich bin froh, daß sie ein solches Heimchen am Herd ist. Diese modernen jungen Frauen, die in Automobilen herumkurven und in Büros arbeiten, machen ihrem Geschlecht ja nun wirklich keine Ehre.«
    In der Küche räumte Helen die Einkäufe ein und wusch den Schmutz von ihrem Knie. Dann setzte sie sich an den Tisch und öffnete Maias Brief. Er war kurz, nur eine halbe Seite lang.
    »Liebste Helen – es tut mir leid, aber ich muß unser Mittagessen absagen. Robin schafft es nicht, und ich stecke bis über beide Ohren in Arbeit. Ich melde mich so bald wie möglich wieder. Alles Liebe, Maia.«
    Das Wasser kochte. Helen stand auf, gab Tee in die Kanne und schnitt den Kuchen. Sie wußte nicht, warum sie so niedergeschlagen war. Vielleicht wegen des feuchten Frühjahrswetters oder weil es sie schmerzte, plötzlich erkennen zu müssen, wie weit ihre Freundinnen ihr vorausgeeilt waren, während sie noch immer auf der Stelle trat.
    Sie konnte sich nicht vorstellen, je zu beschäftigt zu sein, um sich mit Maia und Robin zu treffen. Sie konnte sich nicht vorstellen, ihre eigene Firma zu leiten wie Maia oder ganz allein in London zu leben wie Robin. Sie war ihrem bescheidenen und durchaus realistischen Ziel, zu heiraten und eine Familie zu gründen, nicht einen Schritt näher als vor drei Jahren, als sie zusammen auf der Veranda vor Robins Winterhaus gesessen und von der Zukunft gesprochen hatten.
    Nachdem Mrs. Lemon gegangen war, winkte ihr Vater sie zu sich. Seine Stimmung, stets unberechenbar, hatte sich gewendet. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht, als du nicht kamst, Helen«, sagte er leise. »Ich war so beunruhigt. Wenn dir etwas zustoßen sollte, wie damals meiner geliebten Florence … ich könnte es nicht ertragen.« Mit seinen langen, dünnen Fingern berührte er Helens honigblondes Haar. »Wunderschönes Haar hast du, Hühnchen. Ganz wie deine liebe Mama.« Er neigte den Kopf und küßte sie erst auf die Wange, dann auf den Mund. Seine Lippen waren rauh und spröde.
    Jeden Tag las Maia in der Financial Times von Geschäftsunternehmen, die Bankrott erklären mußten – Unternehmen, die einmal gesund gewesen waren wie das ihre. Obwohl die offenen Feindseligkeiten, mit denen Maia in den ersten Monaten in der Firma zu kämpfen gehabt hatte, eingestellt worden waren, umkreisten sie und Liam Kavanagh einander immer noch wie zwei alte Feinde, die mißtrauisch die Grenzen ihrer Einflußsphären bewachten. Anfeindung war Höflichkeit gewichen oder vielleicht einem gewissen vorsichtigen Respekt. Sie hatte den Eindruck, daß er in Warteposition war, den rechten Moment abpassen wollte, um loszuschlagen. Aber sie brauchte ihn. Sie brauchte Liam Kavanagh dringend.
    Sie bat ihn zum Abendessen in ihr Haus. Sie sah wieder das Blitzen des Spotts in seinen Augen, als sie die Einladung aussprach, und sie lächelte ein wenig in sich hinein. Doch er klingelte pünktlich am Samstagabend um sieben Uhr, korrekt gekleidet im dunklen Anzug und gestärkten Hemd.
    Bei den Vorspeisen unterhielten sie sich über Belangloses. Er war nervös, unruhig; Maia bemerkte, daß er auf seine Uhr sah.
    Sie sagte: »Als ich Sie zum Abendessen eingeladen habe, Mr. Kavanagh, was haben Sie sich da gedacht?«
    Er sah sie groß an.
    »Ich hoffe doch, Sie werden mir den Gefallen tun und ehrlich antworten.«
    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah sie an. »Wenn Sie es wünschen … ich dachte mir, Sie hätten vor, sich gut mit mir zu stellen … sich meine Anerkennung zu erwerben.«
    »Sie zu verführen?«
    Sie sah, wie seine Hand sein Glas fester umschloß, und fügte hinzu: »Im übertragenen Sinne natürlich.«
    »Natürlich.«
    Maia, die Hure, dachte sie zynisch, hatte es bis jetzt noch nicht nötig gehabt, ihr ganzes Repertoire auszuspielen.
    Das Mädchen trug die Vorspeisen ab und servierte den Fisch. Als sie verschwunden war, sagte Maia: »Sie sind ein attraktiver Mann, Liam – ich darf Sie doch Liam nennen? –, aber ich habe nicht die Absicht, Sie zu verführen. Das wäre nicht von Nutzen für mich.« Sie lächelte und sah zu ihrer Freude, daß sie ihn schockiert

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