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Das Winterkind

Das Winterkind

Titel: Das Winterkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Rohn
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jemanden aus einem Auktionshaus kommen und alles schätzen lassen.« Er sagte das mit so banger Stimme, als handelte es sich um die schlechteste Nachricht des Jahres. Dabei hatte Ira so reagiert, wie ich es erwartet hatte. Sie war klug. Sie wollte nicht mehr im kalten, grauen Deutschland leben und sorgte dafür, dass sie sich ein paar unbeschwerte Jahre auf Gomera gönnen konnte.
    »Es ist schon in Ordnung, Ochs«, erwiderte ich, um ihn zu beruhigen. Ich wollte nicht an Ira denken und daran, was ich morgen und übermorgen tun würde.
    »Vielleicht sollten Sie …«, setzte Ochs mit unverändert banger Stimme an.
    »Ja, ich weiß …« Ich unterbrach ihn gereizt. »Vielleichtsollte ich auch so klug sein und Vorsorge treffen. Ein paar Bilder auf die Seite schaffen, sie in der Schweiz in einem Tresor verstecken oder schnell zu Bargeld machen.« Zwei Fischteiche, die nur halb zugefroren waren, weil das Wasser anscheinend mit Pumpen in Bewegung gehalten wurde, glänzten im Sonnenlicht. Von Osten zogen die ersten weißen Federwölkchen heran. Der blaue Himmel sah aus wie im Hochsommer, dabei herrschten immer noch Temperaturen unter null Grad.
    Kurz vor der Abzweigung ins Dorf fuhren wir an der Tankstelle vorbei, und ich sah etwas, das ich schon einmal gesehen, aber nicht richtig registriert hatte. Ein Mann hinkte von einer der Zapfsäulen in den Laden mit der Kasse und den Zeitungsständern hinüber.
    »Fahren Sie zur Tankstelle, Ochs«, wies ich meinen Chauffeur an.
    Ochs öffnete den Mund, um darauf hinzuweisen, dass er längst noch nicht tanken musste, schon gar nicht an einer solch heruntergekommenen Tankstelle, doch ein Blick in mein Gesicht ließ ihn den Mund wieder schließen. Wir hielten vor der zweiten Zapfsäule und warteten einen Moment. Das Tor zu der Montagehalle stand offen. Ein lautes, zischendes Geräusch drang heraus, als würde jemand mit einem Schweißgerät hantieren. Vor der Halle waren neben einem zerbeulten VW drei Motorroller abgestellt.
    Ich bemerkte, dass uns der Tankwart von seinem Platz hinter der Kasse beobachtete, und beschloss, es auf eine Geduldsprobe ankommen zu lassen. Ich blieb im Wagen sitzen. Allzu lange hielt sein Neugier ihn nicht zurück. Mir fiel ein, dass ich auch das Holz für meinen Käfig noch nicht bezahlt hatte. Als der Tankwart uns entgegenhinkte,öffnete ich die Beifahrertür und stieg aus. Er trug wieder seinen verschmierten blauen Overall. Seine dunklen Augen tasteten mich misstrauisch ab, während er sich ein unsicheres Lächeln abrang. Aber jede Freundlichkeit in meine Richtung wäre ohnehin verschwendet gewesen.
    Ich nickte ihm zu. »Wie heißen Sie, Herr Tankwart?«
    Er kratzte sich verlegen am Kopf. »Holty«, erwiderte er im Flüsterton. »Thomas Holty. Gibt es einen Grund zur Klage? War mit dem Holz, das ich Ihnen gegeben habe, etwas nicht in Ordnung …«
    »Einen Moment, Herr Holty.« Wir waren ungefähr gleich groß, so dass wir uns genau in die Augen sehen konnten. Ich erkannte, dass ich auf der richtigen Spur war. Holty hatte nicht nur Respekt vor mir, er schlotterte geradezu vor Angst. »Würden Sie mir eine Frage gestatten? Was haben Sie mit Ihrem Bein gemacht?«
    Holty schaute an sich herab, als hätte er sich die Frage, warum er hinkte, selbst noch nie gestellt. »Oh«, sagte er dann leise, »ich bin früher Motorradrennen gefahren. Mit einer richtig starken Maschine. Hab sogar ein paarmal gewonnen.« Die Erinnerung ließ ihn versonnen lächeln. »Bis zu dem Unfall. Hab die Kurve nicht mehr gekriegt.« Wenn seine letzten Worte ein Witz sein sollten, den er schon häufiger mit gutem Erfolg erzählt hatte, so zündete er bei mir jedenfalls nicht. Holty verstummte abrupt, als ich nicht auf sein Lächeln einstieg.
    »Und danach haben Sie notgedrungen beschlossen, es ein wenig ruhiger angehen zu lassen«, half ich ihm schließlich auf die Sprünge. »Sie haben sich von Ihrem Ersparten diese Tankstelle gekauft, haben eine Reparaturwerkstatt eröffnet und sich auch noch, weil Sie die Natur und die Ruhe lieben, eine kleine Fischzucht zugelegt.«
    Holty nickte. Besonders klug war er wirklich nicht.
    »Hören Sie zu, Holty«, sagte ich in einem Tonfall, den auch mein Vater jedes Mal angeschlagen hatte, sobald ihm irgendetwas besonders gegen den Strich gegangen war, »wenn Sie sich mit Ihrem knatternden Motorroller auch nur in die Nähe meines Grundstücks wagen und wenn ich Sie überhaupt noch einmal am See entdecke, dann drehe ich Ihnen den Hals um. Und wenn meinem

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