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Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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hier, lagen aber schon drüben in den Garagenhöfen, wo Andi heimlich das Autofahren gelernt hatte.
    Mittags kam meine Mutter vorbei und brachte uns das Essen. Wir saßen zusammen auf der kleinen Terrasse und mein Vater berichtete von unseren baulichen Fortschritten. Ich zählte in Gedanken die Wochenenden durch, die wir noch brauchen würden, bis alles fertig war. Auf das geplante Flachdach aus Holz müsste noch die Dachpappe, dann Wände verputzen und Stromleitung verlegen. Daskönnte sich hinziehen. Aber danach hätte ich jedes Wochenende sturmfreie Bude. Ich könnte dann Anke nach der Disco in der Rakete noch mit zu mir nehmen. Über Nacht. Was für ein Gedanke!
    Meine Eltern sprachen fast die ganze Zeit nur über Lehmanns Tomaten und über die Farbe der Gardinen für die neue Laube. Ich überlegte, sie zu fragen, ob sie noch nie mit dem Gedanken gespielt hatten, auch rüber in den Westen zu gehen, verkniff es mir aber. Alles was mich im Moment wirklich interessierte, war, wie ich die knapp acht Stunden bis heute Abend rum bekommen sollte.
    Pünktlich um einundzwanzig Uhr stand ich frisch geduscht und rasiert in der Rakete. Ich setzte mich an die Bar mit Blick auf die Eingangstür, beseelt von der Hoffnung, Anke würde gleich kommen. Als meine Uhr zweiundzwanzig Uhr zeigte, war von ihr noch nichts zu sehen. Dieses blöde Warten! Das war die reinste Nervenfolter. Dazu kam, dass alle Leute wissen wollten, wo Andi heute sei. Kein Wunder, denn wir waren ja immer zu zweit hier aufgelaufen. Ich bügelte alle Fragen ab, indem ich erzählte, er sei bei seiner Oma in Dresden. Die hatte wirklich dort ein Grundstück und Andi half ihr ein-, zweimal im Jahr im Garten für einige Tage. Ich war auch schon mal mit dort gewesen, um beim Bäumeverschneiden zu helfen.
    Dave und Martin setzten sich zu mir an den Tresen. Eigentlich hießen sie Mike und Marco und waren Depeche-Moder, aber da Mike exakt wie Dave Gahan und Marco eben wie Martin Gore gestylt war, nannten wir sie in der Clique nur so. Die beiden waren in Grünau bekannt wie ein bunter Hund. Ihre selbst geschneiderten Lederoutfits warentatsächlich ziemlich cool. Ich erzählte ihnen, wo Andi jetzt in Wirklichkeit steckte, und wir tranken giftgrünen Pfefferminzlikör auf ihn und fühlten uns, als wenn wir gerade von seiner Beerdigung gekommen wären.
    Wo bloß Anke blieb? Grit, eine blassgeschminkte Freundin von ihr, kam zu uns an den Tresen, und ich fragte, ob sie wüsste, wann Anke käme.
    »Die müsste eigentlich schon da sein. Ich hatte am Mittwoch noch mit ihr telefoniert, und sie wollte heute kommen«, antwortete Grit und verdrückte sich mit ihrem Gin-Tonic wieder unter die tanzenden Massen. Also hieß es nur noch ein kleines bisschen warten. Dave und Martin hatten die nächste Runde Pfeffis klargemacht: »Auf Andi!«
    Es war schon nach Mitternacht und von Anke immer noch nichts zu sehen. Ich schwankte ungeduldig auf dem Barhocker hin und her, aber das konnte auch von den vielen Pfeffis gekommen sein. Dave und Martin waren ebenfalls gut abgefüllt und zogen mich plötzlich mit auf die Tanzfläche, wo wir drei wie wild zu Modern Talking tanzten. Das ganze Publikum sah uns dabei zu und klatschte im Takt, auch die ganzen Stinos mit ihren Fassonhaarschnitten und Schneejeans. Es war nach ein Uhr, als ich allein nach Hause wankte.
    Sonntagvormittag arbeiteten wir wieder an der Laube. Während ich restalkoholisiert Gasbetonsteine heranschleppte, pendelten meine Gedanken zwischen den verschiedenen Optionen, die ich heute noch bezüglich Anke hatte: Warten, anrufen, warten, vorbeigehen, warten, ihr einen Brief schreiben oder warten. Nach dem Mittagessen sagte ichmeinem Vater, dass ich nachher noch was Dringendes erledigen müsste. Glücklicherweise fragte er nicht weiter nach und wir machten um fünfzehn Uhr »Feierabend«. Ich schwang mich auf mein altes Rennrad und fuhr rüber zu Anke. Ich wollte endlich wissen, was los war. Die Tatsache, dass wir uns seit Ungarn eine Woche nicht gesehen hatten, sprach schon für sich. Aber wieso hatte sie mich dann angerufen?
    Ich stand mit meinem Rad und ihrer The-Cure-Kassette vor ihrem Haus und klingelte. Niemand öffnete. Ich klingelte noch mal – nichts. Ich hatte das Tape in der Hand und schaute auf das Cover. Dort stand »Kiss Me, Kiss Me, Kiss Me« und ich wünschte, Anke hätte es drauf geschrieben und mich genau dazu jetzt eingeladen. Aber die Tür blieb verschlossen. Langsam spürte ich, dass ich mich hier voll zum Idioten

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