Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
auf die Menschen herab, Anne brach blutüberströmt zusammen, rutschte vom Stuhl und blieb leblos liegen … Dann wischte das Bild weg.
Der Schirm war wieder dunkel geworden, und Jenna stöhnte vor Entsetzen auf. Sie setzte die Tasse gerade noch ab, bevor sie ihr aus der Hand fiel. Verzweifelt klammerte sie sich an den Tischrand, startete das Video erneut, beugte sich vor, bis ihre Nase fast den Bildschirm berührte – doch das schreckliche Bild am Ende blieb. Anne, reglos auf dem Boden, die Augen geschlossen. Eine dünne Blutspur rann von dem kleinen Loch in ihrer Stirn die Schläfe entlang und versickerte in ihrem dunklen Haar.
»O nein!«, flüsterte Jenna, »nein, bitte nicht …« Sie schüttelte den Kopf, als könne sie damit das Grauen vertreiben, das ihr nur eine kurze Atempause gegönnt hatte. Was geschah hier? Wer hatte ihr das Video geschickt? Und wieso ihr? Die Angst und der Terror von gestern Abend waren wieder zurück, holten sie mit einem Schlag wieder ein. Jenna zitterte unkontrolliert am ganzen Körper, klammerte sich an den Tisch wie an eine letzte Insel der Realität, des Fassbaren, angesichts des Unfassbaren, das sie einschloss und zu erdrücken begann.
In diesem Moment läutete das Telefon.
Jenna zuckte zusammen – verdammt, es lag auf ihrem Nacht tisch! Sie erhob sich halb, doch dann hörte sie bereits Kims schlaftrunkene Stimme. »Ja? Hallo, Nick. Du bist aber früh dran. Mhm, warte, ich schau mal.«
Tapsende Schritte, dann erschien Kim in der Küchentür, die Haare noch zerzaust, und gähnte. »Hier, Telefon für dich. Es ist Nicholas.« Sie reichte Jenna den Hörer und deutete de monstrativ auf die Uhr an der Wand. »Bisschen früh, oder?«
Jenna schlug hastig den Laptop zu und nickte hektisch. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Doch Kim hatte sich bereits wieder umgedreht und war auf dem Weg zurück ins Bett. Mit zitternden Händen presste Jenna das Telefon ans Ohr und schaute Kim nach. Dann schluckte sie schwer. »Nick?« Ihre Stimme klang irgendwie fremd.
»Jenna.« Die Stimme am anderen Ende verriet Angespanntheit. »Gott sei Dank, du bist schon wach.«
»Ja, ich …«, krächzte sie und räusperte sich. »Ich bin etwas früher aufgestanden …«
»Es ist etwas Furchtbares passiert«, begann Nicholas. Nach einer Pause fuhr er leise fort: »Ich habe eine schlechte Nachricht. Wir können nicht heimkommen. Anne ist im Krankenhaus.«
Jenna blinzelte, sah den Film ablaufen in einer Endlos schleife. »Was ist passiert?«, fragte sie rau und wusste es bereits. Doch solange sie nicht preisgab, was sie gesehen hatte, konnte sie glauben, dass sich jemand einen grausamen Scherz mit ihr erlaubte. Vielleicht war das alles ein furchtbarer Irrtum?
Nicholas holte sie jäh in die Realität zurück. »Sie wurde gestern angeschossen, in einem Café …« Er wurde immer leiser, und Jenna musste sich anstrengen, ihn zu verstehen.
»Aber sie lebt?«, fragte Jenna nach, als Nicholas keine Anstalten machte, weiterzureden. Auf dem Video hatte es anders ausgesehen …
»Ja … ja, sie lebt, aber es geht ihr sehr schlecht. Die Ärzte wissen nicht, ob sie durchkommt. Sie haben sie in ein Koma versetzt, um die Gehirnblutung zu stoppen. Keiner weiß, ob sie je wieder erwachen wird.« Nicholas unterdrückte ein Schluchzen.
Jenna stand auf und ging mit zitternden Knien in der Küche umher. Ziellos, planlos. Einfach nur bewegen, dann würde es besser werden, hoffte sie. »Hast du eine Ahnung, warum? Ist Anne das einzige Opfer?«
»Ja«, drang Nicholas’ Stimme durch den Hörer. »Niemand anderer kam zu Schaden. Ich weiß, es klingt verrückt, aber es sah aus wie eine Exekution. Aber wer um Himmels willen würde Anne töten wollen?« Er schwieg einige Augenblicke, und Jenna spürte seine Verwirrung. »Die Polizei hat mich zwei Stunden lang ausgequetscht. Ich hab denen alles erzählt, was ich weiß. Mit anderen Worten: nichts. Anne hatte keine Feinde! Das ergibt doch alles überhaupt keinen Sinn«, setzte er verzweifelt hinzu.
Jenna schwieg. Das Video, der Anruf, Kim und Matthew. Es ergibt durchaus einen Sinn, dachte sie resigniert. Ich weiß noch nicht welchen, aber irgendjemand verfolgt hier einen teuflischen Plan. Und wir alle stecken mittendrin. Und jetzt auch noch Anne. Großer Gott, worum geht es hier?
»Jenna? Jenna?« Nicholas’ Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
»Entschuldige … Ich … verzeih, Nick«, stammelte Jenna hastig. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich kann
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