Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
sah sie ihre Mutter an.
Jennas Reaktion war das Gegenteil von dem, was Kim offensichtlich erwartet hatte. Sie sagte gar nichts, saß nur da, abwartend, was Kim noch sagen würde.
»Irgendjemand will was von mir«, fuhr Kim flüsternd fort, und ihre Ratlosigkeit wurde greifbar. »Vielleicht ein Geist? Ich weiß, das klingt bescheuert. Und gestern Abend wollte ich … also Matthew und ich haben …« Beim Gedanken an Matthew schossen ihr die Tränen in die Augen. »Ich war so blöd, Mam. Ich hab ihm geglaubt, dass er mir helfen will.«
Jenna nahm ihre Tochter in die Arme. Kim weinte ihre Wut heraus, das Einzige, was Jenna verstand, war ein wiederholtes, inbrünstiges »Scheißkerl«. Nach ein paar Minuten ebbte das Schluchzen ab, und Kim fuhr sich mit dem Ärmel über die Augen. Dann räusperte sie sich.
Jenna gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Arme Süße. Pass auf, folgender Plan: Du gehst jetzt ins Bad, ziehst dich an, und dann fährst du mit mir zum Goetheplatz. Währenddessen kannst du mir erzählen, was gestern genau passiert ist. Und lass nichts aus, ich will alle Details, selbst die kleinsten. Dann überlegen wir gemeinsam, was wir tun.«
Sie erzählte Kim von Nicholas’ Bitte. »Du kommst mit in die Wohnung. Ich lasse dich erst mal nicht mehr aus den Augen.«
»Du glaubst nicht, dass ich spinne?« Kim wartete immer noch auf das mütterliche Donnerwetter.
Jenna umarmte ihre Tochter. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich dachte nur, ich verlier dich«, flüsterte sie heiser. »Ich wäre fast zu spät gekommen.« Einen Moment hielt sie Kim ganz fest an sich gedrückt, dann schob sie sie von sich weg und sah sie kritisch an. »Gestern Abend hast du gesagt, dass Matthew dir nicht wehgetan hat. Stimmt das noch? Bist du sicher?«
Kim wurde rot. »Er hat mich nur geküsst«, sagte sie abwehrend, »und sonst ist nichts passiert. Er hat mich irgendwie hypnotisiert, ich bin wohl ohnmächtig geworden und erst unten im Hauseingang wieder aufgewacht. Da warst du schon da. Matthew muss mich runtergetragen haben. Wenigstens das.«
Jenna zog eine Augenbraue hoch. »Hm …«
Kim schwang sich ächzend aus dem Bett und marschierte in Richtung Bad. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Woher wusstest du eigentlich, wo ich bin?«, fragte sie.
Jenna musterte sie nachdenklich. »Das ist eine der Fragen, die wir klären müssen. Ich weiß es nämlich nicht. Ich könnte dir jetzt im Nachhinein nicht mal die Adresse nennen. Komisch, nicht? Aber ich wusste irgendwie, wo ich dich finde.« Sie ging zum Fenster und zog den Rollladen hoch. »Ich habe darüber nachgedacht, Kim: Irgendjemand spielt mit uns ein tödliches Spiel. Wir kennen die Mitspieler nicht, wir kennen die Regeln nicht. Vor allem wissen wir nicht, worum es überhaupt geht, aber ich werde es rausfinden. Für uns, für Anne.«
»Und für Carolin«, fügte Kim hinzu, bevor sie die Tür des Badezimmers hinter sich zuzog.
Das klang wie ein Schwur.
Eine Stunde später drehte Jenna leise fluchend die dritte Runde um den Goetheplatz. Kein Parkplatz weit und breit.
»Lass mich kurz zusammenfassen«, sagte sie und blickte zu Kim, die auf dem Beifahrersitz saß und auf ihre Hände starrte. Während der Fahrt hatte sie Jenna erzählt, womit sie sich seit Monaten herumschlug.
»Seit Monaten hast du Albträume, in denen dich jemand ruft. Du hast das Gefühl, ein Geist will etwas von dir.«
Kim nickte. »Das ist so peinlich …«, murmelte sie.
»Nein, das ist es nicht«, widersprach Jenna.
Kim blickte ihre Mutter überrascht an.
Die zuckte mit den Schultern. »Klar, es klingt verrückt, aber nach dem, was passiert ist – uns beiden, meine ich. Das klingt, als wären wir Figuren in einem Spiel. Jemand benutzt dich. Und mich. Und ein paar andere.«
»Das klingt ja noch verrückter«, sagte Kim düster. »Da war meine Version ja noch normaler.«
»Stimmt«, gab Jenna zu. »Was mich aber wirklich irritiert, ist etwas anderes. Warum bist du damit nicht zu mir gekommen? Oder zu Alex? Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht. Bei Gelegenheit erzähl ich dir mal Details von meinem Gespräch mit eurer Dr. Berger vor ein paar Tagen. Wir sind deine Eltern, verdammt. Wieso kommst du mit solchen Problemen nicht zu uns?«
Kim sah ihre Mutter nicht an. »Eben deswegen! Ihr seid meine Eltern!«
»Ja, und?«
»Mit euch rede ich nicht über so was. Über mich. Das, das geht einfach nicht. Keiner tut das. Und überhaupt – hättet ihr mir geglaubt?«
Jenna
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