Das Wispern der Schatten - Roman
Er griff verzweifelt nach irgendeiner Macht, jeglicher Macht. Sie reagierte nur langsam, benommen und träge. Das Blut des Heiligen in ihm kämpfte gegen seine Versuche an, überzog, dämpfte und betäubte seine Magie. Komm schon! Sie stieg widerwillig auf.
Warum wehrst du dich denn, Jillan? Hast du nicht gesagt, dass du diesen Makel los sein willst – dass du willst, dass er aus dir verschwindet? Nun, dein Heiliger wird dir genau dazu verhelfen. Du musst dich ein für alle Mal entscheiden, was du willst. Du musst wählen, ob du dich mir endgültig ergeben willst. Wenn du wirklich gegen den Heiligen und die tückische, lähmende Verneinung kämpfen willst, für die er steht, dann ist das der einzige Weg. Der letzte Augenblick, in dem du eine Wahl treffen kannst, ist gekommen, Krieger. Entscheide dich! Ergibst du dich mir?
Das kann ich nicht!
Entscheide dich!
Mit einem Schluchzen, das sein ganzes Wesen schüttelte, gab er sich der Magie hin. Sie strömte als funkelndes, flüssiges Feuer aus ihm hervor, fegte durch die Zelle, floss an den Armen des Heiligen entlang und über seinen Kopf. Rote Lava brodelte aus Jillans Mund und Augen hervor, und er spie sie auf das verabscheuungswürdige Geschöpf, das vor ihm stand.
Der Heilige heulte und taumelte zurück, wobei er hektisch versuchte, sich die Magie aus dem Gesicht zu reiben. Aspin wurde sich der Gefahr bewusst, in der er schwebte, hatte aber nicht die Kraft, ihr auszuweichen. Es gab nichts hoch genug über dem Boden, um ihn zu retten. Magie leckte an seinen Kleidern und setzte ihn in Brand. Er schrie.
Der Heilige torkelte von Jillan weg und machte den Weg aus der Zelle frei. Seine Haut schlug Blasen, und der Geruch nach anbrennendem Schweinefleisch breitete sich im Raum aus.
Hol das Schwert!
Jillan machte einen wankenden Schritt vorwärts. Die Magie geriet für einen Moment ins Stocken. Entschlossen zog er noch mehr Kraft aus dem Kern seines Wesens und ging zielstrebig auf seine Waffe zu. Ihm begann alles vor den Augen zu verschwimmen, und die Magie setzte plötzlich aus. Noch ein Schritt, und die Wand drehte sich um neunzig Grad. Er erkannte wie aus weiter Ferne, dass er auf der Seite lag. Das Schwert war nur ein paar Fuß von seiner Nase entfernt, aber seine Arme wollten ihm nicht gehorchen.
Irgendwo stöhnte Aspin, lehnte den Rücken an eine Wand und stemmte sich mit den Beinen hoch, bis er aufrecht stand.
Dann ertönte eine entsetzliche Stimme. Ein verkohlter Heiliger ohne Haare wagte sich aus der Dunkelheit der tiefer gelegenen Bestrafungskammern hervor. » Törichtes Kind!«, höhnte er. » Dachtest du wirklich, dass mein Blut in dir zulassen würde, dass du mich tötest? Dachtest du wirklich, dass deine verfälschten heidnischen Zaubereien gegen den Willen und die Macht der gesegneten Erlöser Bestand haben könnten?«
» Jillan, steh auf!«, flehte Aspin.
Jillan tastete unbeholfen nach dem Schwertgriff und fand ihn, aber seine Finger hatten keine Kraft. Der Fuß des Heiligen sauste auf seine Hand herab und presste sie auf den Boden. Jillan schrie auf, aber Schmerz und Adrenalin verhalfen ihm zu ein paar Sekunden Konzentration. Aspin humpelte zu ihnen herüber und versetzte dem Heiligen einen Tritt gegen das Knie, um es mit seinem ganzen Gewicht in eine Richtung zu drücken, in die sich zu biegen das Gelenk nicht geschaffen war. So stark der Heilige auch war, er konnte sich nicht auf den Beinen halten, als sein Knie nachgab. Azual schrie vor Zorn auf, als sein massiger, sieben Fuß großer Körper unbeholfen auf dem Steinboden aufschlug.
Aspin hüpfte auf einem Bein vorwärts und versetzte dem Heiligen mit dem anderen Fuß einen kräftigen Tritt unters Kinn. Die ganze Zeit über blieb der Bergkrieger perfekt im Gleichgewicht. Der Kopf des Heiligen zuckte zurück, und seine Kehle war entblößt. Aspin stampfte mit dem Bein auf, mit dem er eben zugetreten hatte, um die Luftröhre seines widerwärtigen Feindes zu zerquetschen.
Eine große Hand schoss hervor, packte Aspins Fuß am Ansatz und verdrehte ihm brutal das Bein. » Wohl kaum, kleiner Heide!« Dann wurde Aspin beiseitegeschleudert, während der Heilige aufstand. Azual hob abermals das Röhrchen aus Sonnenmetall. » Wie du siehst, kann der Augenblick meiner Verwandlung nicht verhindert werden. Er ist so unumgänglich, dass es nur Schicksal sein kann. Und ich habe dieses Schicksal geschaffen. Mein Wille ist mein Schicksal. Ereignisse und Zeitabläufe passen sich meiner lenkenden Macht an,
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