Das Wispern der Schatten - Roman
größtenteils verloren und bis zu der Nacht, in der es zu dem Zwischenfall mit Jillan gekommen war, kaum noch einen Gedanken auf ihn verschwendet. Izat hatte jeden Fetzen magischer Macht, der ihr zur Verfügung stand, nutzen müssen, um aus dem Westen bis nach Gottesgabe auszugreifen und Samnirs Verstand zu überzeugen, dass er dem Jungen bei der Flucht helfen sollte, aber die Anstrengung hatte sich für sie gelohnt! Nicht allein, dass der Junge immer noch auf freiem Fuß war und Azual unendlich viele Scherereien machte– anscheinend war auch irgendeine Seuche ausgebrochen (sofern das kein glücklicher Zufall gewesen war), sodass die Kaufleute aus den anderen Regionen jetzt zögerten, mit dem Süden Handel zu treiben. Die Wirtschaft des Südens begann zusammenzubrechen. Bald würde das Volk darüber zu klagen beginnen, dass Azual nicht genug unternahm, um ihm zu helfen, und dann würde Azual sich einem regelrechten Aufstand gegenübersehen, besonders wenn Izat ihre anderen Hilfsmittel im Süden besonnen zum Einsatz brachte. Ganz gleich, ob es Azual gelang, den Aufstand niederzuschlagen oder nicht, die gesegneten Erlöser würden es ihm nicht verzeihen, dass er überhaupt solche Unruhe hatte aufkeimen lassen. Die Erlöser würden nach einem anderen Heiligen suchen, der den Süden überwachen konnte, und es war niemand besser geeignet als Izat, deren eigene Region immer friedlich und wohlhabend gewesen war. Der heilige Dionan im Osten hatte ständig mit den heidnischen und barbarischen Wüstenstämmen alle Hände voll zu tun, und der heilige Goza im Norden war zu weit entfernt und zu träge, um zwei Regionen zugleich zu beherrschen. Es gab natürlich andere, geringere Heilige, die im ganzen Reich verteilt waren, aber keiner von ihnen stellte eine ernsthafte Bedrohung für Izat dar.
Bald würden sowohl der Westen als auch der Süden ihr gehören. Dann würde sie ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge richten. Sie hatte sich immer gewünscht, irgendwann einmal ein Sonnenmetallbergwerk zu besitzen, denn der Reichtum und die Macht, die es ihr einbringen konnte, waren beträchtlich.
Etwas zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Was war das? Sie wälzte die nackten Jugendlichen von sich herunter, an denen sie schon längst kein Interesse mehr hatte. Sie waren zu sehr im Delirium, um zu protestieren, und würden sich wahrscheinlich erst im Laufe mehrerer Tage davon erholen, zu den Erlösern gezogen worden zu sein, vielleicht auch gar nicht. Die orgastische Seligkeit, von ihr gezogen zu werden, war für manche zu viel, aber für diejenigen, die die berauschende Leidenschaft überlebten, war sie etwas, an das sie sich für den Rest ihres Lebens sehnsüchtig erinnern würden. Sie war Izats Geschenk an sie. Nicht dass sie nicht selbst Vergnügen daran gehabt hätte, aber in den letzten paar Jahrhunderten war es, nun ja, ein wenig eintönig und beschränkt geworden. Sie hatte natürlich ausgedehnte Experimente durchgeführt, aber mit der körperlichen Gestalt der Menschen konnte man nur in begrenztem Umfang etwas anfangen. Deshalb war sie immer gieriger geworden, was Handel und Politik anging, und war stets bestrebt, ihren Herrschaftsbereich und Besitz zu erweitern, auf dem Wege etwas Neues zu entdecken und sich an unverbrauchten Sinneseindrücken und Erfahrungen zu ergötzen.
Sie schlang sich einen Hausmantel um den schlanken, goldenen Körper, während ein junger Leibsklave hereingestürmt kam, um sich vor der Heiligen niederzuwerfen. Danach zu urteilen, wie schwer der Junge atmete, war er gerannt, was höchst ungehörig war, obwohl es seinen Wangen eine anziehende Röte verlieh.
» Was ist denn, Julian?«, gähnte Izat und hielt sich anmutig eine manikürte Hand vor den Mund. Sie zog es vor, von denen umgeben zu sein, die noch nicht zu den Erlösern gezogen worden waren, weil sie es erregend fand, von Menschen bedient zu werden, die noch von einem gewissen Geheimnis umgeben waren.
» Strahlende, der heilige Goza aus dem Norden nähert sich der Grenze.«
Die heilige Izat verlor fast ihre berühmte Beherrschung und Gelassenheit. » Was hast du gesagt?«
» Strahlende, der heilige…«
» Ja, Julian, mein Lieber, das war eine rhetorische Frage. Aber das ist noch nie vorgekommen. Kein anderer Heiliger hat diese Region seit… nun, seit Ewigkeiten betreten! Wie kann er es wagen, ohne dass ich ihn hergebeten habe? Ich hatte keine Zeit zu baden, mich zu frisieren oder sonst irgendetwas. Julian, lass sofort Wasser für mich einlaufen
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