Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wispern der Schatten - Roman

Das Wispern der Schatten - Roman

Titel: Das Wispern der Schatten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam J Dalton
Vom Netzwerk:
genug hinhört, kann man die meisten Geräusche voneinander unterscheiden und belauschen, was alle sagen.«
    Freda hörte erneut hin und legte die Hände wie Trichter um ihre kleinen Ohren. » Ich höre… das Rascheln der Hecken.«
    » Und darüber hinaus?«
    » Es ist nur ein Rauschen wie Wasser in einem Fluss.«
    » Ja, es ist ein Fluss aus Geräuschen. Hörst du die Unterschiede im Strom, so als ob das Wasser an einer Stelle über Felsen plätschert oder ein Fisch anderswo mit dem Schwanz schlägt und ein Klatschen erzeugt?«
    Freda drehte den Kopf hierhin und dorthin. » Ja, es ist in jeder Richtung ein bisschen anders, aber ich kann keine deutlichen Stimmen ausmachen. Das muss viel Übung erfordern oder ein besseres Gehör, als ich es habe. Ich glaube, ich bin besser darin, Erschütterungen im Boden zu spüren.«
    » Wahrscheinlich. Dagegen höre ich viel zu viel, teilweise auch, weil ich manchmal die Energie der Gedanken anderer Leute auf dieselbe Weise spüren kann, wie ich ihre Stimmen höre. All die Stimmen im Kopf machen mich manchmal wahnsinnig und rauben mir den Schlaf. Aber der Helm hilft mir, einen Großteil davon auszublenden.«
    » Dann weißt du also fast alles, Freund Anupal? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Ist das etwas Gutes, oder gefällt es dir nicht besonders?«
    Er kratzte sich geistesabwesend an der Wange. » Hmm. Am Ende weiß man alles und doch nichts. Die Leute reden überwiegend Unsinn. Einer tritt voller Überzeugung für etwas ein und erklärt es für unschätzbar wertvolles Wissen, aber dann macht sich ein anderer gleichermaßen überzeugt für das genaue Gegenteil stark. Mein Kopf ist die meiste Zeit über von nichts als Verwirrung und Uneinigkeit erfüllt. Manchmal verliere ich mich selbst und bin davon gelähmt. Dann wieder schimpfe und tobe ich. Du denkst sicher, dass ich immer voraussehe, was geschehen wird, und dann auch weiß, was ich unternehmen muss, um die Dinge in meinem Sinne zu beeinflussen. Aber meistens tun die Leute genau das Gegenteil von dem, was sie gerade gesagt oder gedacht haben. Das macht es fast unmöglich. Gelegentlich trifft wirklich alles zusammen, und ich erreiche genau das, was ich mir wünsche. In den Augenblicken wirke ich dann gottgleich und allwissend. So machen Wandar von den Wütenden Winden und die anderen es auch. Aber die meiste Zeit über tragen meine Taten nur zur allgemeinen Verwirrung und Uneinigkeit bei. Die Götter sind größtenteils Betrüger, und deshalb ist es den Andersweltlern wahrscheinlich auch so leichtgefallen, sie zu verdrängen.«
    Die Götter sind Betrüger. Sie dachte darüber nach, während sie einem Käfer zusah, wie er die steile Klippe ihres Unterarms entlanghuschte. Sie machte sich Sorgen darum, denn sie wollte nicht den Geboten eines Betrügers folgen. Und wenn sie ein Kind des Felsgotts war, machte sie das auch zur Betrügerin? Manchmal kam sie sich wie eine vor, wie etwa damals, als der abscheuliche fette Heilige sie gefangen, ihr den Finger abgebissen und sie in einen Kessel gesteckt hatte. » Ist es dann für dich nie ruhig und friedlich, Freund Anupal?«, fragte sie, wischte sich eine Träne aus dem Auge und brachte den Käfer aus dem Gleichgewicht. Das Insekt fiel auf die Straße, landete auf dem Rücken und strampelte mit den Beinen in der Luft.
    Der Sonderbare erstarrte für eine Sekunde, bevor einer seiner Füße zu zucken begann. » Es ist alles relativ, nehme ich an. Wenn ich zu Hause bin und die meisten Stimmen ausgesperrt sind, ist es nicht so schlimm. Doch die Welt ist niemals vollkommen ruhig und friedlich, meine Liebe, nie! Aber du hast recht– ich strebe danach, ihr Ruhe und Frieden zu bringen, um dann selbst Ruhe und Frieden zu haben. Manchmal kommt es mir so vor, als wäre es das Beste, wenn alles tot wäre.«
    Plötzlich hatte sie Angst vor ihm. Sie hielt ihre Zunge sofort im Zaum und beruhigte ihre Gedanken. Sie wurde zu einem reglosen Stein. Wie er sie hassen musste!
    Sie holperten schweigend vor sich hin, und bis auf das Rumpeln und Rattern des Wagens und das beständige Trommeln der Pferdehufe war alles still. Jillans Verstand rumpelte und ratterte ebenfalls, und er knirschte mit den Zähnen. Der Kiefer tat ihm weh. Er war nach dem Zusammenstoß mit Bion zusammengebrochen und wusste nicht, was seitdem geschehen war. Bewusstlosigkeit war in gewisser Weise ein Segen, bis einem aufging, dass man in seinen eigenen Gedanken gefangen war. Sie konnten allzu schnell zum Albtraum ausarten, wie es in

Weitere Kostenlose Bücher