Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wispern der Schatten - Roman

Das Wispern der Schatten - Roman

Titel: Das Wispern der Schatten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam J Dalton
Vom Netzwerk:
ist jetzt erst einmal wichtiger, dass wir uns um dich kümmern. Ohne dich sind wir nichts. Schnell, bringt den Steiger zum Heiler.«
    Wieder eine Berührung, aber diesmal wusste sie, dass es ihr anderes war, denn sie konnte seine besondere Beschaffenheit spüren. Sie klammerte sich eng an ihm fest und wusste, dass sie ihm damit wehtat, aber es kamen keine unangenehmen Geräusche. Das andere half ihr. Das andere vervollständigte sie. Alles würde gut werden, solange das andere bei ihr war.
    Das andere führte sie durch die Leere. Sie spürte, wie sie beide eine gewaltige Leere betraten, dann eine kleinere.
    » Da wären wir. Das ist meine Höhle. Klein, aber gemütlich. Setz dich hierhin. Gut so. Jetzt lass uns einmal sehen, was wir mit deinen Augen machen können. Ich wickle dir ein Stück Stoff um den Kopf, dann kannst du dich erst einmal an das bisschen Licht gewöhnen, das hindurchdringt. Alles wird gut, du wirst schon sehen.«
    Und so trat sie in die Welt der Hohen Herrscher. Jeden Morgen sprach Norfred mit ihr und brachte ihr Wörter bei. Er gab ihr den Namen Freda, und sie freute sich darüber, weil es ein Geschenk von ihm war, obwohl sie sich nicht sicher war, warum sie einen Namen brauchte und wozu genau er diente, da die übrigen ohnehin andere Namen und Bezeichnungen für sie verwendeten, wenngleich sie sich nicht sicher war, was sie bedeuteten. Dann überprüfte er ihre Augen ohne das Tuch, und sie ertrug die Blindheit für eine Weile, um ihm eine Freude zu machen, obwohl sie mit geschlossenen Augen, wenn sie sich durch eine Welt aus Dunkelheit bewegte, viel mehr wahrnehmen konnte.
    Nach dem morgendlichen Unterricht brachen sie mit den anderen auf, um am Festen oder am Fels, wie sie es nannten, zu arbeiten. Die anderen waren weich und nicht besonders gut darin, sich durchs Feste zu bewegen, obwohl sie Dinge hatten, die sie als Werkzeuge bezeichneten. Sie dagegen hatte keine Schwierigkeiten damit, hindurchzustoßen. Die anderen staunten darüber, wie sie arbeitete, und stießen aufgeregte Laute aus. Norfred freute sich auch, und das gefiel ihr, besonders, weil er mehr Hilfe als viele der anderen dabei zu benötigen schien, sich durch das Feste zu bewegen.
    » Das liegt daran, dass ich alt bin, Freda«, sagte er, als sie ihn eines Tages danach fragte.
    » Alt?«, gurgelte sie.
    » Ja. Nach einer gewissen Zeit werden die Leute schwächer, Freda, bis sie so schwach sind, dass sie einfach ganz stillstehen.«
    Freda kratzte sich am Kopf und schnippte Hautfetzen weg, die abgebröckelt waren, als sie sich an einem tief hängenden Felsvorsprung den Kopf gestoßen hatte. » Wenn sie ganz stillstehen, werden sie wie der Fels… oder wie Fließschlamm, ja?«
    Norfred neigte den Kopf zur Seite, um darüber nachzudenken, und nickte dann. » Ja«, sagte er lächelnd, » genau wie der Fels und der Fließschlamm, die auf die Bergleute warten, damit sie die wertvollen Stücke finden, die noch in ihnen stecken.«
    » Und wenn sie stillgestanden haben, wie fangen sie dann wieder neu an, Norfred?«
    » Das tun sie nicht, Freda, so leid es mir tut. Man nennt das › tot sein‹.«
    Freda schwieg eine ganze Weile. Dann gurgelte sie unglücklich: » Ich will nicht, dass du stillstehst, Norfred!«
    Er tätschelte ihr den Arm. » Mach dir keine Sorgen, Freda, das wird noch lange nicht geschehen, besonders nicht, wenn du da bist, um mich vor Einstürzen zu bewahren. Es ist ein Segen für uns, dass du immer weißt, wo der Fels zu schwach ist, als dass man sich dorthin vorwagen dürfte. Sogar Darus muss auf dich hören, wenn du sagst, wo wir arbeiten sollen und wo nicht, auch wenn ich glaube, dass es ihm nicht gefällt, dass er das tun muss, meinst du nicht auch?«
    » Darus mag mich nicht, Norfred!«
    » Ach, mach dir keine Sorgen, Freda– Darus mag niemanden. So ist er einfach. Es ist seine Aufgabe als Steiger, niemanden zu mögen und niemanden zu bevorzugen, denn auf die Art sorgt er dafür, dass wir alle so hart wie möglich arbeiten. Unser Aufseher hat Darus gerade deshalb zum Steiger ernannt, weil Darus der gemeinste von allen hier war, verstehst du? Aber Darus ist mittlerweile weit besser gelaunt als früher, weil du uns hilfst, so viel Sonnenmetall zu finden. Der Aufseher ist sehr zufrieden, wie ich höre, und es geht das Gerücht, dass Darus zur Belohnung vielleicht bald aufsteigt. Er wäre der jüngste von uns, dem das je gelungen ist. Es ist die wohlverdiente Belohnung für harte Arbeit, auf die wir alle hoffen,

Weitere Kostenlose Bücher